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Wegen der starken Hitze vor den Öfen und der schweren Walzen war es immer reine Männerarbeit. Heute drehen sich die Rollen elektrisch vor den Flammen.

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Salzwedeler Baumkuchen: Des Kaisers süße Scheiben

Wer nach Salzwedel fährt, muss Baumkuchen essen. Hier wurde er erfunden.

Der Name der Stadt hat mit dem zuckersüßen Exportgut wenig zu tun: Salzwedel heißt sie und liegt im äußersten Nordwesten Sachsen-Anhalts in der Altmark. 1807 backte ein Bäcker namens Christian Schernikow hier seinen ersten Baumkuchen. Ein Jahr später gründete er seine „Conditorei- und Baumkuchen-Fabrikation“. Als Kaiser Wilhelm I. 1865 seinen ersten Kuchen bestellte, hat Sohn Friedrich Schernikow bereits die Nachfolge angetreten. Der Bäckermeister wird zum Hoflieferanten weiterer Herrscherhäuser in Wien, London, Budapest und St. Petersburg.

„Nur während des zweiten Weltkriegs wurde der Baumkuchen nach einen Sparrezept hergestellt“, sagt Bettina Hennig, Eigentümerin der nach der Wiedervereinigung gegründeten Ersten Salzwedeler Baumkuchenfabrik: „Ansonsten verwenden wir immer noch die Rezeptur aus dem ’Conditorei-Buch’ von 1807.“

Wie „ein Kuchen wie ein Baum“ entsteht, demonstriert Neffe und Konditor Maik Suske in der Backstube hinter der Verkaufstheke. Die vier Backöfen sind mit Schamottsteinen ausgekleidet, vor denen Gasflammen lodern. „Die Steine strahlen die Wärme zurück“, erklärt Suske: „Würde der Kuchen direkt in der Flamme gebacken, dann würde er verbrennen, denn die Schamottsteine haben eine Temperatur von 300 Grad. Die Backtemperatur beträgt aber nur 60 Grad.“ So dreht sich eine fünf Kilogramm schwere Walze kurz vor der Flamme.

Der Konditor zieht geschlagenes Eiweiß unter die Teigmasse aus Butter, Zucker, Eigelb und Mehl. Hinzugefügt werden eine Gewürzmischung und Aromen. So viel darf er verraten, im Übrigen ist die Rezeptur geheim. Dann setzt Maik Suske die mit Backpapier bespannte Walze in den Ofen und beginnt damit, Ringe zu setzen. In Abständen lässt er Teig über die Rolle laufen, der nach kurzer Zeit durch die Wärme fest wird. Zweimal wiederholt er die Prozedur, dann überzieht er alle paar Minuten die gesamte Walze mit Teig.

So werden die Ringe miteinander verbunden, und es entstehen einzelne Schichten, die charakteristischen „Jahresringe“, die dem Baumkuchen den Namen verleihen. „Ringe, wie sie jeder von einem gefällten Baumstamm kennt“, meint Suske und fügt grinsend hinzu: „Dort geben sie Auskunft über das Alter eines Baumes. Unsere Kuchen entstehen allerdings täglich frisch, auch wenn sie acht bis zehn Ringe aufweisen.“ Haltbar ist das leckere Gebäck ungefähr zehn Tage.

Baumkuchen niemals mit einem Zackenmesser bearbeiten. - Diesen und weitere Tipps lesen Sie auf Seite zwei.

Historisch verwinkelt. In Salzwedel kann man im Café zuschauen, wie ein Baumkuchen entsteht.
Historisch verwinkelt. In Salzwedel kann man im Café zuschauen, wie ein Baumkuchen entsteht.

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Einen Baumkuchen zu backen, dauert rund zwanzig Minuten. Wegen der starken Hitze vor den Öfen und der schweren Walzen war es immer reine Männerarbeit. Heute drehen sich die Rollen elektrisch vor den Flammen. 24 Stunden lang müssen die Kuchen abkühlen. Dann überzieht der Konditor sie mit Fondant (Zuckerguss) und Schokolade in den Varianten Vollmilch oder Zartbitter.

„Bearbeiten Sie Baumkuchen nie mit einem Zackenmesser, damit die Glasur unversehrt bleibt“, rät Maik Suske, bevor es endlich ans Probieren geht: „Und er wird nicht von oben nach unten, sondern immer waagerecht aufgeschnitten, damit die Jahresringe erkennbar bleiben.“

Salzwedel war im Mittelalter bis 1518 eine Hansestadt. Ihr Name weist darauf hin, dass Salz über eine Furt („Saltwidele“) befördert wurde. Über den Fluss Jeetze hatte die Stadt Anschluss an die alte Salzstraße von Lüneburg nach Magdeburg. Die Blütezeit der Hanse erstreckte sich vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. Die organisierten Städte beherrschten einen Großteil des nordeuropäischen Fernhandels, was ihnen Wohlstand und Ansehen brachte.

Gotische Backsteinkirchen, wie St. Marien und St. Katharinen, Reste von Befestigungsanlagen, zwei Stadttore, das ehemalige Rathaus der Alten Stadt, Speicherhäuser und um die 500 Fachwerkgebäude aus späteren Jahrhunderten prägen noch heute die Stadt mit ihren 25 000 Einwohnern.

1980 wurde im holländischen Zwolle der Städtebund „Die Hanse“ gegründet. Alle ehemaligen Hansestädte des Mittelalters können Mitglied werden. 1998 schlossen sich Salzwedel und sieben weitere Kleinstädte im Norden Sachsen-Anhalts zum Altmärkischen Hansebund zusammen. Ziel der „neuen“ Hanse ist neben dem Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen die Förderung des Tourismus, um das historische Erbe der Hansezeit erlebbar zu machen. Auch wenn längst nicht mehr Salz die Handelsware ist, sondern zuckersüßer Baumkuchen.

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