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Reise: Schablone für die Welt

Freundliche Sanguiniker und leberkranke Nörgler: Was Fontane auf seinen Reisen erlebte, zeigt eine Ausstellung in Neuruppin

Fontane und Reisen? So neu klingt das nicht. Fontane gilt als der Reisende schlechthin. Manche verehren ihn als Gottvater der brandenburgischen Reiseliteratur. Beim Schaukeln durchs Land stößt man immer wieder auf seine Spuren: Denkmäler hier, Gedenktafeln dort, und beinahe jedes Kaff kann sich auf ein paar Zeilen des Altmeisters berufen. Und der Wanderer des 19. Jahrhunderts wirkt tatsächlich immer noch erstaunlich gegenwärtig und frisch. „Alle Welt reist“, behauptete Fontane schon vor mehr als hundert Jahren, 1873. Und plauderte dann weiter: „So gewiß in alten Tagen eine Wetter-Unterhaltung war, so gewiß ist jetzt eine Reise-Unterhaltung. ‚Wo waren Sie in diesem Sommer‘, heißt es von Oktober bis Weihnachten; ‚wohin werden Sie sich im nächsten Sommer wenden?‘, heißt es von Weihnachten bis Ostern.“

Das Museum Neuruppin hat dem munteren Flaneur in seiner Geburtsstadt nun eine kleine Sonderausstellung eingerichtet. „Auf Fontanes Spuren“ heißt die Schau etwas großspurig und nimmt sich das Thema „Theodor Fontane und der Tourismus“ vor.

Es ist ein Sammelsurium. Es gibt Vitrinen mit Plaketten und Gedenkmünzen. Es gibt Postkarten mit Stadtansichten und Fotokopien mit Hinweisen auf Fontane-Abende der Vergangenheit. Ein paar Handschriften sind ausgestellt, in Sütterlin noch. Dazu gezeichnete Skizzen des Meisters, Lagepläne oder Fassadenzeichnungen, um die Reiseschilderungen später exakt gestalten zu können.

Man findet eine Einladung zur Enthüllung des Denkmals für Theodor Fontane am Sonnabend, den 8. Juni 1907, in Neuruppin. Der Meister thront, mit übergeschlagenem Bein, leger auf einer Bank, schaut in die Ferne, Spazierstock, Hut und Schal vor sich abgelegt. Das Denkmal kann man heute noch am Straßenrand besichtigen.

In der Ausstellung sind auch allerlei Reiseführer und Bildbände zu sehen, die Nachwirkung Fontanes wird damit dokumentiert. Und ein Reisesouvenir in einer besonderen Vitrine findet sich auch. Es ist ein hölzerner „Fangeball“, erfahren wir, ein Holzstab mit einer Art Eierbecher obendrauf, daran, an einer Schnur befestigt, eine Holzkugel. „Dieses Spielzeug lag beständig bei Fontane und beschäftigte ihn in seinen Unterbrechungspausen“, wusste ein Zeitzeuge aus erster Hand zu berichten. Es galt offenbar, das Bällchen durch geschicktes Schwingen und Hochwerfen in den Eierbecher zu bringen.

Etwas lieblos wirkt das Ganze, ungenügend erläutert und unübersichtlich gestaltet. Am schönsten sind immer wieder die Zitate. Noch eins gefällig? An seine Frau Emilie schrieb der 51-jährige Fontane 1870: „Man kann alle Reisenden in zwei Charakterklassen teilen, in freundliche Sanguiniker, die überall sehen und auch sehen wollen, wodurch sich die Fremde vorteilhaft von ihrer Heimat unterscheidet, und in leberkranke Nörgler, die sich zu Hause eine Vortrefflichkeitsschablone zurechtgemacht haben und über alles verstimmt sind, was davon abweicht.“

Im Obergeschoss befindet sich in diesem hochherrschaftlichen ehemaligen Bürgerhaus eine Dauerausstellung zu Fontane. Interessanter beinahe und originaler vor allem. Fontanes Löwenapotheke ist ja längst mit modernem Innenleben unkenntlich gemacht worden. In der Dauerausstellung jedoch finden sich zum Beispiel noch ein originaler Schrank und eine Standuhr, die auch heute noch die korrekte Zeit anzeigt. Dies sei das älteste Erinnerungsstück der Familie Fontane, heißt es. Sechs Generationen wurde das gute Stück weitergereicht.

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