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Reise: Senner für einen Sommer

Arbeit und Leben auf der Alm sind begehrt – besonders bei jungen Leuten

Bei Marianne Eberhard vom Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern in Miesbach sind schon 180 Anfragen für einen Job als Senner auf Zeit eingegangen. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren sei das „eine sehr, sehr große Resonanz“, heißt es. Die Interessenten vom Schüler bis zum Pensionär im Alter zwischen 17 und über 70 haben sich aus ganz Deutschland gemeldet, „auch aus Hamburg, Rügen und Berlin“. Etwa 40 von ihnen wurden erfolgreich an Bauern vermittelt.

Etwa 100 Anfragen hat Petra Breuer vom Alpwirtschaftlichen Verein im Allgäu beantwortet. Ihr fällt auf, „dass heuer viele Abiturienten unter den Bewerbern sind“ – 100 Tage mit Kühen und Kälbern als Antwort auf den Stress mit dem Abschluss. Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner kann den Run auf die Hütten gut verstehen. „Den Tag nach ganz anderen Regeln gestalten, Verantwortung für die Tiere übernehmen und Einblicke in die harte Arbeit des Almbauern gewinnen – das ist sicher eine wertvolle Erfahrung“, glaubt der CSU-Politiker.

Doreen Bachmann kam 1996 aus Dresden nach Bayern, sie war schon in verschiedenen Berufen unterwegs – Restaurantfachfrau, Stewardess auf hoher See, Bürokauffrau. Und 2010 probierte sie’s als Sennerin auf der Plankensteinalm nahe dem Wallberg, gemeinsam mit ihrer siebenjährigen Tochter Elina und 27 Kälbern, fünf Milchkühen, einem Schwein und einigen Hühnern. Ihre Bilanz: „200 Kilo Butter, 45 Laibe Käse und jeden Tag 100 Liter Milch.“ Jetzt macht Bachmann Babypause, aber im kommenden Jahr will sie wieder hinauf, mit Tochter und Baby, denn da finde man zurück zu den „Grundwerten des Lebens“.

Weg vom Konsum, raus aus der Hektik und zurück zu Natur und einfachem Leben – mit diesem Wunsch und der großen Lust aufs kleine Abenteuer starten die Hobbysenner, etwas mehr Frauen als Männer, in ihren Sommerjob. Und alle sind sie fasziniert. „Ich habe noch niemanden getroffen“, berichtet Eberhard, „der danach gesagt hätte, einmal und nie mehr wieder.“ Freilich kann sich, wie Uwe Hausmann erfahren hat, schon „so ein kleiner Kulturschock einstellen, wenn es wieder zurück in die Zivilisation geht, das fängt schon an, wenn ich ins Auto einsteige“.

Hausmann hatte 30 Jahre eine hausärztliche Praxis in Seeshaupt am Starnberger See. Anfang Juni zieht er mit seinen 73 Jahren zum neunten Mal auf die Bernauer Alm unterhalb des Risserkogels. Er betreut dann 40 Rinder, vielleicht auch einige Schafe. „Es läuft prima, ich fühle mich da oben pudelwohl“, freut er sich. Über 700 Almen und 20 000 Stück Vieh sind es in Oberbayern, 685 Alpen und 30 000 Rinder im Allgäu. Die Berg- und Almbauern nehmen eine Sonderstellung ein, werden mit Prämien und Zuschüssen gefördert. Ohne dies wäre die Almwirtschaft nicht möglich, sagt der Geschäftsführer des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern, Michael Hinterstoißer.

Kein Fernsehen, kein Strom, nur etwas Solarenergie, das Wasser kommt aus dem Brunnen, Internet gibt es nicht und dann noch ein schlechter oder gar kein Handy-Empfang. „Macht gar nix“, meint die 23-jährige Bernadette Mayer, die auf die Wasserfallalm und die Priesbergalm bei Berchtesgaden geht. Für sie erfüllt sich ein Kindheitstraum. „Das muss ich machen, sonst fehlt mir was.“ Angst hat sie nicht, „obwohl, wenn da draußen der Wind pfeift, da könnt’ einem schon mulmig werden“.

Doreen Bachmann erinnert sich noch gut daran, wie bei einem Unwetter der Blitz direkt in die Wiese vor der Hütte einschlug und wie sie eine abgestürzte Kuh bergen musste. Die Hirten auf Zeit erfahren nach Beobachtung von Petra Breuer vom Alpwirtschaftlichen Verein des Allgäus bald, „dass die schönen Fernsehgeschichten mit der Realität des knallharten Knochenjobs nicht zu vergleichen sind“.

Die Sennerinnen und Senner stehen bei Sonnenaufgang auf und legen sich schlafen, wenn die Dunkelheit hereinbricht. Mit Fachkursen werden sie auf die Alm-Zeit vorbereitet, für die sie nach Angaben von Hinterstoißer zwischen 300 und 1200 Euro netto im Monat bekommen. Auch Birgit Mayer will bald oben sein, auf der Hofalm nahe Frasdorf. „Ich will neue Erfahrungen sammeln, sehen, wie weit ich gehen kann“, sagt die 34-Jährige. Und vielleicht wird auch sie danach zur Wiederholungstäterin.

Mehr zum Thema findet man beim Alpwirtschaftlichen Verein im Allgäu – Vereinigung zur Erhaltung der Kulturlandschaft e. V., Liststraße 8, 87509 Immenstadt; für Urlaub auf einer Alm, bitte mal im Internet auf der Seite www.allgaeu-abc.de schauen.

Klaus Greiner

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