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Soziales Reisen: Mehr als Sand und Sonne

Urlaub mit sozialem Touch: Touristen wollen oft helfen und verstehen. Die Veranstalter gehen auf die neuen Wünsche ein. Zumindest bei längeren Pauschalreisen.

Viele Touristen wollen nicht nur Sonne, sondern auch etwas über ihr Reiseziel und die Menschen lernen, die dort leben. Etliche Veranstalter bieten inzwischen zumindest als Bestandteil einer längeren Pauschalreise gezielte Begegnungen mit Einheimischen oder Besuche in sozialen Projekten an. Manchmal können Touristen im Reiseland sogar zupacken und in einem Projekt mitarbeiten, statt nur abhängen. Wie sinnvoll das ist, ist umstritten.

Studiosus, Marktführer bei Studien- und Erlebnisreisen in Deutschland, setzt schon seit langem auf Urlauber, die mehr wollen als Sand und Sonne: „Begegnungen sind bei uns Bestandteil jeder Studienreise“, sagt Frano Ilic, Sprecher des Veranstalters in München. „Man kann in einem sizilianischen Dorf einen Tag den Dorfbewohnern beim Ricotta-Herstellen zugucken, mit jungen Marokkanerinnen über die Situation von Frauen in Nordafrika reden oder in Istanbul die Übersetzerin von Orhan Pamuk treffen.“  

Reisegruppen besuchen aber auch Projekte, die von der 2005 gegründeten Studiosus-Stiftung gefördert werden, wie eine Klosterschule in Madalay in Birma. Marco Polo, die Studiosus-Schwestermarke für das jüngere Publikum, hat in seinem Katalog „Young Line Travel“ auch eine 20-tägige Vietnamreise. Bei der waren nun erstmals zwei Tage in Maichan eingeplant, einem Dorf 80 Kilometer westlich von Hanoi, in dem die Reisenden beim Streichen eines Schulgebäudes mitanfassen konnten. „Freiwillig und gemeinsam mit den Menschen aus dem Dorf“, sagt Frano Ilic. „Sie haben eine Außenwand gestrichen, aber zum Beispiel auch am Unterricht teilgenommen und in der Pause mit den Kindern gekickt.“ Eine zweite Reisegruppe nach Maichan breche im Mai auf.

Die Konkurrenten unter dem Dach der Tui, Gebeco und Dr. Tigges, halten sich zurück: „Wir haben keine Volunteering- Angebote“, sagt Geschäftsführer Ury Steinweg. Die Arbeitskraft von Touristen werde nicht wirklich gebraucht. Sinnvoller sei, als Veranstalter Projekte in den Reiseländern finanziell zu unterstützen. „Das machen wir auch“, sagt Steinweg, „beispielsweise in Quito, der Hauptstadt von Ecuador.“ Gebeco fördert dort den Bau einer Wasseraufbereitungsanlage für eine Schule. Das Projekt wird im Rahmen einer Ecuadorreise besucht.

Anders ist das Konzept bei goXplore: Die neue zu Gebeco gehörende Marke, die erstmals einen Ganzjahreskatalog vorgestellt hat, bietet „Abenteuerreisen“ für das jüngere Publikum an. Dazu zählt auch eine 15-tägige Volunteer-Reise nach Costa Rica, bei der die Teilnehmer an einem Schutzprojekt für Meeresschildkröten mitarbeiten. Im Rahmen einer Rundreise durch Rajastan in Indien gibt es die Möglichkeit, bei einem Projekt mitzuarbeiten, bei dem die Teilnehmer unter anderem Kindern Englischunterricht geben.

Bei den Reisenden mit Gebeco und Dr. Tigges ist Ury Steinweg zufolge keine erkennbare Nachfrage nach solchen Aktivitäten zu erkennen. Aber es gebe durchaus Touristen, die das Gefühl haben möchten, den Menschen zu helfen, deren Länder sie bereisen.

Ute Linsbauer, Sprecherin des Forum Anders Reisen in Freiburg, findet es grundsätzlich in Ordnung, Reisen und soziale Projekte miteinander zu verbinden. „Entscheidend ist, dass der Veranstalter und der Reiseleiter sensibel damit umgehen.“ Ganz gleich, ob Touristen ein Hilfsprojekt nur besuchen oder ob sie daran mitarbeiten, Voraussetzung dafür sei, dass es nicht gegen den Willen der Betroffenen passiert. Solche Angebote dürften sich auch nicht auf die Bedürfnisse der Touristen konzentrieren. „Die Frage ist, was die Menschen dort davon haben, dass die Besucher kommen. Es darf eben nicht so sein, dass man hinfährt, Fotos macht und wieder wegfährt.“

Sich für das Land zu interessieren, das man bereist, und für die Menschen, die dort leben, findet auch Heinz Fuchs von der zum Evangelischen Entwicklungsdienst gehörenden Organisation Tourism Watch positiv. Aber gut gemeint sei dabei nicht immer gut. „Es gibt einen regelrechten Hype, irgendwo helfen zu wollen. Kurzzeiteinsätze während einer Urlaubsreise sind jedoch problematisch“, sagt Fuchs. „Hier mal eine Schule streichen, da mal einen Garten pflegen, das ist ungeeignet für langfristige positive Effekte.“    Mindestvoraussetzung für sinnvolle Angebote von Reiseveranstaltern sei, dass eine „Begegnung auf Augenhöhe“ möglich ist und solche Arbeitseinsätze ausreichend vorbereitet werden. „Sonst wird das Grundprinzip interkulturellen Lernens missachtet, nach dem wir nur verstehen, was wir wissen.“ Einfach irgendwo mitanzupacken, ohne die Hintergründe des Projektes zu kennen, sei geradezu eine „Kunstform für Gutmenschen aus der westlichen Welt“, sagt Fuchs. „Das bedient nur ein Erlebnisinteresse von europäischen Touristen.“

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