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Auch Pan spielt im Parco Scherrer für die Besucher. Foto: Mauritius Images

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Reise: Träume unterm Limonenbaum

In einem Park im Tessiner Örtchen Morcote hat der Tuchfabrikant Scherrer seine Reiseerinnerungen zusammengetragen

Taufrische Stille herrscht im Parco Scherrer. Blumen pflücken verboten im duftenden Fantasialand! Ist das hier ein Märchenpark? Oder doch ein botanischer Garten? Zwei marmorne Löwen flankieren den Eingang. Steil am Hang blühen Kamelien und Azaleen. Pinien, Zedern und Agaven recken sich in den Himmel. Palmen rascheln, und in dichten Bambushainen knistert es. Köstliche Morgenruhe am Ufer des Luganer Sees.

Nur hin und wieder rauscht ein Auto vorbei, ein paar surrende Rennräder. Möwen krächzen, und der gerade abgeklungene Regen tropft von Palmen und Efeublättern. Die Natur seufzt. Alles hier auf dem Weg von Vico nach Morcote hat den Hauch alter Zeiten, als das Tessin Sehnsuchtsort vieler wurde, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts von überall herkamen: für ein anderes Leben, ein besseres Klima, ein Stückchen italienischen Südens in den Schweizer Bergen.

Ihre Spuren kann man an vielen Tessiner Orten lesen, ihre Villen bewundern, auf ihren Spuren wandern oder durch ihre strotzenden Gärten streifen. So wie wir auf der Kantonsstraße Richtung Figino spazierten, den Park zu finden, den der St. Galler Tuchhändler und weltreisende Kaufmann Arthur Scherrer zwischen 1930 und 1956 samt Palazzi und Putti an den Fuß des Monte Arbostora in Marcote pflanzen ließ.

Noch liegt der Morgen wie ein Kleid aus zartblauem Musselin über Bergen und See. Vorbei an efeuberankten Putti und rosenumwundenen Büsten aus Stein steigen wir die flachen Stufen und steilen Wege den Garten hinauf, stehen schließlich vor griechischen und ägyptischen Tempeln im Kleinformat, einem siamesischen Teehaus und dem Tempel der Nofretete. Hier wurde auch die Asche Scherrers beigesetzt. Und die seiner Frau. Sie vermachte schließlich der Gemeinde von Morcote 1965 das Lebenswerk ihres Mannes.

Arthur Scherrer war ein Romantiker. Ein wohlhabender zumal, der sich seine Reiseerinnerungen auf seinem eigenen Stück Land en miniature nachbauen ließ und mit einem herrlich tropischen Garten verwob. Wo ursprünglich mal ein kleines Tessiner Bauernhaus samt Stall stand, wo Wein wuchs und Kastanien reiften, da hinein ließ er das bauen, was ihn auf seinen Fernreisen beeindruckt hatte.

Darum bewachen eine Reihe steinerner Elefanten den Pool. Die Büste des Hausherrn steht auf der schönen Terrasse des indischen Palastes, wo wir lesend den Morgen verplempern und uns so allein fast zu Hause fühlen. Wohin man auch geht und steigt – die Flora passt zum herrlichen Haus. Venus, Herkules, Jupiter und Juno ragen aus Blättern und Büschen. Und alles sieht so frisch und nahezu bewohnt aus, als käme der Hausherr gleich um die Ecke und nähme uns mit auf seine private Weltreise.

Dabei pflegt heute die Gemeinde Morcote das Anwesen und lässt auch Besucher teilhaben. Die drücken sich die Nasen platt an den Fenstern all der exotischen Bauwerke, deren Interieur wunderbar zum Außen passt und Lust aufs Einsteigen macht. Überall stehen Bänke zum Verweilen, Brunnen plätschern, und die duftend blühenden Limonen reifen vor ihrem Glashaus, in dem fantastische Tierkunstwerke ausgestellt sind. Im Parco Scherrer kann man Stunden verbringen, an einem der Steintische auf der Bella Vista die mitgebrachte Flasche hiesigen Merlot leeren oder einfach die Aussicht genießen. Romantiker sind hier am richtigen Ort, aber auch botanisch interessierte Reisende finden einen ausgeschilderten Pfad zu mindestens fünfzig Pflanzenarten.

Das Dörfchen Morcote selbst besteht aus einer Reihe meist alter Häuser am frühlingshaft lauschigen Seeufer, vor denen die Restaurants und Cafés ihre Tische und Stühle längst in die schon warme Sonne gestellt haben. Morcote, an der Spitze der Ceresio-Landzunge gelegen, war im 15. Jahrhundert der größte Hafen am Luganer See. Die Mailänder Herzöge hatte den Morcotesi sowohl das Fischereirecht als auch das Marktrecht verliehen. Heute lebt der Ort fast ausschließlich vom Tourismus.

Direkt hinterm Gemeindehaus von Morcote erklimmen wir 400 steile Stufen. Wie gut, dass wir uns zuvor im Parco Scherrer erfrischen konnten. Scala Monumentali heißt die gewaltige Treppe. Sie endet 500 Meter hoch an der Renaissancekirche Santa Maria del Sasso, deren Inneres Wandmalereien aus dem Fischerleben zeigt. Erstmal durchatmen, doch der Aufstieg lohnt. Der Blick über die tönernen Dächer Morcotes hinweg auf den See und die dahinter aufragenden Berge ist wahrlich atemberaubend. Man muss sich nur noch Morcote in seiner Blütezeit mit lauter kleinen Fischerhäusern am Seeufer vorstellen. Wo einst deren Gärten am Hang wuchsen, hat sich der Ort bis heute verdichtet.

Wir machen noch einen Spaziergang über Morcotes schwindelerregend steil angelegten Friedhof – bloß nicht hinunterschauen! –, auf dem nicht nur Einheimische ruhen, sondern auch einst zugereiste Neu-Morcotesi, Berühmtheiten, wie der Komponist Eugen d’Albert und der Schauspieler Alexander Moissi. Zwar thronen Kirche, Friedhof und Kapelle hoch über Morcote, doch wer in den Himmel wollte, musste sich anstrengen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Auskunft: Parco Scherrer, CH 6922 Morcote; Telefon: 00 41 / 91 / 996 21 25, Internet: www.lugano-tourism.ch

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