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Reise: Trommeln für Ghana

Aufkeimender Dorftourismus in Westafrika – zwischen Improvisation und Innovation.

Der große kräftige Mann mit seinen sanften Augen und einem fast schüchternen, leicht ironischem Lächeln wirkt so geheimnisvoll wie Afrikas Wildnis. Bismark Amoahs Talente sind beeindruckend: Er ist Trommler, Schauspieler, Tänzer, Geschichtenerzähler und Clown. Aber eigentlich ist Amoah nur ein einfacher Mann aus dem abgelegenen ghanaischen Dorf Mesomago. Dass er den Namen Bismark trägt, rührt noch von der preußischen Kolonialherrschaft im 19. Jahrhundert an der „Goldküste“ – wie die ehemalige Kolonie, das heutige Ghana, damals genannt wurde.

Es war Bismark Amoahs Idee, den Busch zur Attraktion zu machen: Vor gut zwölf Jahren gründete er hier in Mesomago, das kurz vor dem Kakum-Nationalpark liegt, das Bambus-Orchester. „Wir entwickeln unsere Talente“, meint Amoah zu dem mittlerweile mehr als zehn Mann zählenden Trommel-, Schlagzeug- und Tanzensemble.

Amoah ist ein Tausendsassa. Am Tage begrüßt er die Fremden, die sich bis ins Dorf durchschlagen und gibt sich als netter Familienvater und umgänglicher Reiseführer. Am Abend versetzt er die Zuschauer mit skurrilen Verkleidungen und Geschichten, begleitet von seinen Musikern, in Erstaunen. Kaum wiederzuerkennen, bekleidet mit einem riesigen weißen Strohhut, einer überdimensionalen weißen Tunika und einem langen bemalten Holzstab in der Hand, tanzt Bismark Amoah in einem Kreis aus Zuschauern und fackelnden Öllämpchen. Unter Grimassen und wilden Sprüngen erzählt er alte afrikanische Geschichten in seiner Stammessprache Twi.

Das Bambus-Orchester und sein Gründer Amoah sind nur eine Attraktion von vielen in Mesomago. Seit rund zehn Jahren zieht es immer öfter ausländische Touristen an den abgelegenen Flecken. Sie werden in ein einfaches Gästehaus am Rande des Ortes einquartiert. Es sind Abenteurer, Backpacker und Reisende abseits des Massentourismus – den gibt es allerdings in Ghana sowieso nicht.

Der Weg nach Mesomago ist beschwerlich: Die Straße ist von tiefen Rinnen und Schlaglöchern durchzogen. Rechts und links bilden Palmen, Kakaobäume und dichtes Gebüsch undurchlässige grüne Mauern. Die Heimatgemeinde des Bambus-Orchesters mit ihren rund 400 Einwohnern liegt zwischen der ghanaischen Küste und der quirligen Großstadt Kumasi. Im ersten Moment wirkt sie wie ein typisch ghanaisches Dorf: traditionelle gelb-braune Lehmhütten mit Schilfgrasdach, dazwischen Holzverschläge und einige Zementbauten. Es gibt weder Strom noch Wasserleitungen oder Telefone.

Begrüßt werden Neuankömmlinge mit freundlichen Blicken und einer kreischenden Kinderschar, die winkend und lachend auf sich aufmerksam machen. Den Gästen von Mesomago – rund 120 sind es pro Jahr – werden nicht nur erstklassige musikalische und kulturelle Erlebnisse geboten, sondern auch alltägliches Dorfleben. So erfährt der Besucher, wie man mit ein paar Schläuchen und aus einem alten Palmenstamm Palmwein gewinnt und daraus Schnaps brennt. Oder wie Maniokschrot hergestellt und Kakao angebaut wird. Die Gäste entdecken hier Stück für Stück den afrikanischen Alltag.

Die Einwohner von Mesomago waren mit die Ersten, die diese Art von Dorftourismus in Ghana etablierten. Mittlerweile hat sich das Modell im Land herumgesprochen. „Der Tourismus hat bei uns viel verändert“, erklärt Emmanuel Abbay, der Sekretär des Dorfchiefs von Mesomago. „Unsere Gäste tragen mit ihrem Geld direkt zum Aufbau des Dorfes bei.“

Ghana ist wie die meisten Länder in Afrika touristisch kaum erschlossen. Trotz der endlosen weißen Sandstrände, der urwüchsigen Natur, der Regenwaldreservate sowie des kulturellen Reichtums der zahlreichen ghanaischen Stämme, kommen kaum Feriengäste in das exotische westafrikanische Land. Der Dorftourismus soll das ändern. Selbst Tourismusminister Stephen Asamoah Boateng, dessen Amt in der ghanaischen Tagespolitik kaum Bedeutung zukommt, will nun eine neue Strategie fahren und auf „nachhaltigen Tourismus“ setzen. Aber auch unabhängig von der ghanaischen Politik breitet sich die Idee des Dorftourismus à la Mesomago weiter aus.

Etwa 14 Dörfer haben schon mit Unterstützung ausländischer Entwicklungsorganisationen Tourismusprojekte aufgebaut. Weitere 16 sind in Planung, wie Birgit Liehnhart von der niederländischen Entwicklungsorganisation SNV erklärt. Sie arbeitet und lebt seit anderthalb Jahren in der Hauptstadt Accra und berät SNV in Tourismusfragen. In der Entwicklungsarbeit ist das zwar eher ein Nischenressort, aber es gewinnt derzeit an Bedeutung, wie Lienhart meint. SNV unterstützt einige der Dorfprojekte durch Beratung und hilft bei der PR-Arbeit.

Als größtes Problem sieht die Tourismusexpertin die mangelnde Infrastruktur des Landes: „Der öffentliche Nahverkehr ist schlecht ausgebaut und die Straßen sind oft marode und schwer passierbar.“ Vor allem aber müsse das Land an seinem Ruf arbeiten, damit Europäer überhaupt auf die Idee kämen, ihren Urlaub hier zu verbringen: „Ghana braucht ein Image“, sagt die Fachfrau nachdrücklich. Denn eigentlich biete das Land alles, was man für einen erlebnisreichen und erholsamen Urlaub brauche: „Das Land ist relativ sicher, es gibt wenig Kriminalität, man kann frei reisen und da Englisch die Landessprache ist, ermöglicht das vielen westlichen Touristen eine unkomplizierte Kommunikation.“

Mehr dazu im Internet unter:

www.snvworld.org;

www.kasapa.de

Susanne Götze

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