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Spindlermühle

© Picture-Alliance

Tschechien: Talwärts mit Rübezahl

Spindlermühle im tschechischen Riesengebirge - ein Skigebiet vor allem für Familien.

Der wilde Bart flattert im Fahrtwind und die Skier unter den klobigen Stiefeln könnten kurz nach dem Untergang der Dinosaurier gezimmert worden sein: Der Kerl sieht absonderlich aus. Aber er ist auch eine Attraktion. Und Symbol zugleich. Während der Wintersaison flitzt Rübezahl schon mal auf steiler Piste von Spindlermühle gen Tal, taucht als legendäre Gestalt des Riesengebirges leibhaftig auf. Denn: Spindlermühle liegt mitten im Rübezahlland. Und sowohl hier auf der tschechischen Seite des Riesengebirges als auch auf der polnischen muss die Sagengestalt in vielfältiger Form in den Souvenirläden als Markenzeichen herhalten, ähnlich wie Kuckucksuhren im Schwarzwald.

Im kleinen Ort Jilemnice, ein paar Kilometer von Spindlermühle entfernt, wird schon vor Weihnachten aus Schnee, notfalls Kunstschneee, ein mannshoher Rübezahl gebaut, der lange stehen bleiben wird. Die dunkelgewandete Schneeplastik ist eine wahre Touristenattraktion.

Auch in Spindlermühle gibt es kein Entrinnen vor Rübezahl. Doch in dem rund 1500-Seelen-Ort ist man mittendrin im alpinen Zentrum Tschechiens – und hier wird bestens bedient, wer ein sportlicher, jedoch nicht überambitionierter Skifahrer ist. Kilometerlange Abfahrten gibt’s zwar ebenso wenig wie extreme Buckelpisten. Doch glattgebügelte, gut gepflegte Pisten machen auch Spaß, zumal sie sich für die ganze Familie eignen. Und wer auf Partymachen getrimmt ist, wird fündig, muss allerdings kein Halligalli fürchten wie etwa in Ischgl. Dafür halten sich zudem die Preise in Grenzen.

Spindlermühle, zwei Autostunden von Prag und rund fünf von Berlin entfernt, ist das bekannteste und größte Wintersportzentrum Tschechiens. Fünf Sessel- und elf Schlepplifte erschließen 26 Pistenkilometer. Das Areal umfasst die Gebiete Labska, Medwedin, St. Peter, Misecky und Stoch, ganz am Ende des Tals. Spindlermühle liegt auf rund 800 Meter Höhe, Konditionsmängel wegen zu dünner Luft sind hier kein Thema. Der größte Höhenunterschied liegt bei 450 Metern Höhe auf einer Piste in St. Peter. Und die Piste Turisticka ist mit 2700 Metern die längste Abfahrt. Wer alpenähnliche Bedingungen erwartet, ist definitiv mit den falschen Vorstellungen angereist.

Aber dafür ist das Gebiet sehr schneesicher, und notfalls stehen annähernd hundert Schneekanonen bereit, um 95 Prozent der Pisten befahrbar zu machen. Und die „schwarzen“ Abfahrten genügen höchsten Ansprüchen – schließlich trägt der Ski-Weltverband Fis in St. Peter, Weltcup-Rennen aus. Vor zwei Jahren zum Beispiel gewann hier die Kroatin Janica Kostelic erstmals in ihrer Karriere einen Weltcup-Riesenslalom. Am 5. Januar treten die Damen erneut im Riesenslalom an, einen Tag später folgt ein Weltcup-Slalom.

Auch Snowboarder können sich nicht beklagen, zumindest nicht auf ausgewählten Pisten. Zudem gibt’s in St. Peter einen Bike-Park, bei dem man akrobatische Sprünge und artistische Einlagen präsentieren oder zumindest probieren kann. Die meisten Pisten dürften jedoch eher ästethische Schönfahrer als technisch versierte Skiläufer ansprechen.

Für Skilangläufer wurde das Angebot erheblich vergrößert. So stehen jetzt weit mehr Loipen als früher für beide Stilarten zur Verfügung, für die Klassiker ebenso wie für die Läufer, die den Skatingstil bevorzugen. Und wer nur Wandern möchte, der kann das unter anderem auf Tschechiens erstem Winterwanderweg für Körperbehinderte machen.

An den Kassen der Bergbahnen kann man inzwischen Liftkarten fürs ganze Gebiet kaufen. Bis vor wenigen Jahren war das noch nicht möglich. Nun kann man mit den Ski auch von Labska direkt nach Misecky wechseln. Der Lift in Labska ist verlängert worden. Außerdem wurde der alte Schlepp- gegen einen Sessellift ausgewechselt. Das hilft vor allem den Bewohnern des Hotel Arnica in Labska. Die hatten den Lift zwar immer direkt neben der Haustür, mussten aber bislang immer den Skibus nehmen, wenn sie in Misecky fahren wollten.

Es gibt noch andere Veränderungen für Touristen, und die sind weniger erfreulich. Spindlermühle als spottbillige Alternative zu den Alpen? Diese Zeiten sind vorbei. Tschechiens Wintersportzentrum ist, vergleichsweise, teuer geworden. Ein Ein-Tages-Pass kostet aktuell rund 30 Euro, ein Sechs-Tagepass rund 125 Euro. Auch die Hotelpreise in Spindlermühle haben um bis zu zehn Prozent angezogen. Im populären Aquazentrum, einem Hotel mit vielfältigen Badeangeboten, kostet eine Woche Halbpension in der Hauptsaison 300 Euro. Und ein paar Preissteigerungen verstecken sich im Detail. So können Hotelgäste im Aquazentrum jetzt nur noch vormittags zwei Stunden kostenlos baden. Nachmittags müssen sie wie alle normalen Besucher bezahlen. Und der Aufenthalt im Pool ist ziemlich teuer. Rund sechs Euro kostet die Stunde pro Person. Früher war auch das Baden am Abend für die Gäste gratis. Was möglicherweise diverse Besucher erst an Ort und Stelle gewahr werden: Das Aquazentrum besteht aus sieben Gebäuden. Wer in den Pool will, muss möglicherweise einen Fußmarsch in Badelatschen über einen Parkplatz in Kauf nehmen.

Die Reaktionen auf die höheren Preise schlagen sich bereits in der Statistik nieder. In der vergangenen Saison gab es weniger Besucher als im Zeitraum 2005/2006, und im Februar 2007 waren nur 80 Prozent aller Betten in Spindlermühle belegt. Und Februar ist Hauptsaison im Ort, weil in dieser Zeit in mehreren Nachbarländern Ferien sind. Aber bislang gibt es keine Reaktion von den Anbietern. Im Gegenteil, auch in diesem Winter sind die Preise wieder gestiegen.

Trotz der geringeren Gästezahl in der Hauptsaison: Es kommen noch genügend Touristen, um vormittags das Warten auf die Liftfahrt zu einer halbstündigen Angelegenheit zu machen. Bis zu 10 000 Menschen drängeln sich zu Spitzenzeiten vor den Aufstiegshilfen.

Im Ort selbst haben die Preissteigerungen für einige Unruhe gesorgt. Denn auch die Bewohner von Spindlermühle sind ja von den höheren Preisen betroffen. Und das betrifft nicht allein die Dinge des Alltags. Auch die Immobilienpreise sind gestiegen. Neue Hotels und Pensionen werden zwar aus Rücksicht auf die Natur nicht mehr gebaut, aber dafür entstanden neue Apartmenthäuser, die an Urlauber vermietet werden. Mietshäuser wurden an wohlhabende Bürger aus Prag verkauft, und die wandeln die ursprünglichen Wohnungen in Feriendomizile um.

Wer es erheblich günstiger möchte, der sollte in einem der vielen Orte in der Nähe von Spindlermühle Quartier suchen. In Vrchlabi etwa, einer 15 000-Einwohner-Stadt 15 Kilometer von Spindlermühle entfernt. Dort gibt es Pensionen, in denen man für 18 Euro pro Tag unterkommt. Und auch das Essen ist in der Umgebung noch immer sehr preiswert. Zudem hat Vrchlabi einige Sehenswürdigkeiten zu bieten: Es gibt ein Schloss, ein Kloster und eine wunderschöne Kirche, zudem eine Eishalle, in der auch Gäste ihre Runden drehen können. Ansonsten trainiert und spielt in der rundum geschlossenen Halle der örtliche Eishockey-Zweitligist.

Der Schnee rund um Spindlermühle bleibt übrigens immer länger schön weiß. Die Luft in der Region ist erheblich besser geworden. Die Zeiten, in denen der Rauch aus unzähligen Kohleöfen aus den Schornsteinen quoll, ist vorbei. Immer mehr Menschen heizen mit Gas.

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