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Monumentale Pracht. Abends, wenn Freiheitsbrücke und Parlament angestrahlt werden, setzt Budapest seine Schönheit in Szene.

© Max Galli/laif

Ungarn im Herbst: Gut behütet zur Mohntorte

Wer jetzt nach Budapest reist, findet in Galerien, Boutiquen und auf Märkten ausgefallene Präsente. Und freie Stühle in traditionellen Kaffeehäusern.

Ihm ist es egal, ob es neblig ist, schneit oder die Sonne scheint. Er muss sie überprüfen. Zwei Mal pro Tag. Er macht es bereits in der dritten Generation. Janos Fazekas ist Kontrolleur von Budapests bekanntester Brücke – der Kettenbrücke.

Davon bekommen die Touristen in der Straßenbahnlinie 2, die am Donauufer entlangrattert, nichts mit. Heute sowieso nicht. Es herrscht typisches Novemberwetter in der ungarischen Hauptstadt. Eine blaue Donau erwartet niemand, aber nicht mal eine graue ist zu sehen. Das andere Ufer, also Buda mit Burgpalast, Matthiaskirche und Fischerbastei, hüllt sich in einen Nebelmantel. Doch die Touristen sind auch nicht wegen der üblichen Sehenswürdigkeiten gekommen. Das ist etwas für Tage, wenn Knospen an den Bäumen sprießen. Wer jetzt nach Budapest reist, der stöbert durch Boutiquen, gönnt sich in einem der Kaffeehäuser ein Stück Dobos- oder Esterhazy-Torte und schlendert über die Weihnachtsmärkte am Vörösmarty tér (Freiheitsplatz) oder vor der Sankt-Stephans-Basilika.

Haltestelle Freiheitsbrücke. Die Touristen steigen aus und strömen in Budapests zentrale Markthalle. Das mit Mosaiken und Keramik verzierte Jugendstilgebäude beherbergt über drei Etagen eine Mischung aus Markt und Einkaufszentrum. Die Besucher interessieren sich hauptsächlich für die typisch ungarischen Produkte: Paprika, Salami und Gewürze. Euro und Forint wechseln die Besitzer.

Im leichten Schneegriesel bummeln die Touristen weiter durch die lange Fußgängerzone Váci utca. Vorbei an Designerläden, Boutiquen und üblichen Ladenketten. Gut behüten gegen die Kälte können sie sich bei „V50 Hat & Fashion“ lassen. Und um die Ecke in der Nyáry Pál utca bieten zwölf Textil- und Schmuckdesignerinnen in der „Eventuell-Galerie“ ihre Kreationen an.

Szilvia Szigeti zeigt Ikatstoffe, Vorhänge, handgewebte Schals, Mützen, ausgefallene Ringe aus Papier oder Katzenhaaren. Seit fast 20 Jahren lebe man von Touristen und einer gewissen Stammkundschaft, sagt Szilvia: „Es gab gute und schlechte Jahre. Leider haben wir derzeit ein eher schlechtes.“ Gleich nebenan im „Kamchatka Showroom“ präsentiert Márta Schulteisz Damenbekleidung aus Wolle und Seide, die sie an Ort und Stelle fertigt. Oder wie wär’s mit einem Paar Maßschuhe für den Herrn? In der Haris köz vertreibt László Vass die typischen Budapester Schuhe mit Lochmuster.

Die Touristen wünschen einen Kaffee in schönem Ambiente. Am Vörösmarty tér befindet sich das „Café Gerbaud“ von 1858 – seither stets eine Institution. in Budapest. Heute müssten wir dort warten auf einen freien Tisch. „Aber bitte mit Sahne“, heißt es auch im ruhigeren „Central Kávéház“. Ursprünglich eröffnet 1887, empfing es, 1999 renoviert, wieder Gäste. Typisch ungarisch: die Dobos-Torte. Eine Art „kalter Hund“ aus abwechselnden Schichten Biskuit und Schokocreme mit Karamellglasur.

Nicht ganz so traditionell, gleichwohl nicht weniger kalorienreich ist die mit hellgelber Buttercreme gefüllte Esterhazy-Torte. Doch es gibt nicht nur traditionellen Kuchen in Budapest. In der Nähe der Großen Synagoge hat sich Tortendesignerin Ráchel Flódnija im „Café Noé Cukrászda“ mit ihrem „Flodni Cake“ aus Mohn, Walnüssen, Äpfeln und Pflaumenmus einen Namen gemacht.

Was wäre ein Tag in Budapest ohne einen musikalischen Ausklang?

Gegen kalte Ohren beim Stadtbummel gibt’s Mützen auf dem Markt.
Gegen kalte Ohren beim Stadtbummel gibt’s Mützen auf dem Markt.

© Dagmar Krappe

Aufgewärmt und gestärkt begeben sich die Touristen nun auf den Weihnachtsmarkt am Vörösmarty Platz. Und bereuen sogleich den vorherigen Verzehr süßer Tortenstücke. Es duftet nicht nur aus urigen Töpfen nach Glühwein, sondern in der Mitte des Platzes reiht sich ein Imbisssstand mit ungarischen Spezialitäten an den anderen. Hier gibt es Lángos, einen Brotfladen aus Kartoffelteig, der in Öl ausgebacken und mit Sauerrahm und Käse belegt ist. Dort köchelt Paprikagulasch, liegen Krautwickel mit Schweinebraten bereit.

Zum Erbe aus der Türkenzeit gehören Strudel, gefüllt mit Kirschen, Quark, Mohn oder Süßkraut. Das typische Weihnachtsgebäck sind Kürtöskalács: Hefespindeln, die über glühenden Kohlen kross gebacken werden. Anschließend wird der Baum- oder Schornsteinkuchen mit Butter bestrichen und in einer Zimt-Zucker-Mischung gewälzt.

Bereits zum 14. Mal seit der Wende findet der Budapester Weihnachtsmarkt, der Karácsonyi Vásár, am Vörösmarty tér statt. Nicht wegen seiner Größe, aber wegen seines Kunsthandwerks wird er als einer der schönsten Europas gelobt. Kitsch und Industriewaren sind verpönt. In den hundert Holzpavillons werden ausschließlich handwerklich gefertigte Artikel angeboten.

Simon Kriszta bastelt Teddybären. „Sie sind allerdings aus synthetischen Fasern, da sie gut waschbar sein sollen“, meint Simon. „Die Herstellung eines Petzes dauert je nach Größe circa acht Stunden.“ Reißenden Absatz findet Peter Sziffers ökologisch-korrekter Dekoschmuck. „Ab August trocknen wir Paprika, Orangenscheiben und Lorbeerblätter und formen daraus zusammen mit Zimtstangen Tischverzierungen und Wandbehänge“, heißt es an seinem Büdchen.

Schon mehr als zehn Jahre hat Maria Kovács während der Adventswochen ihren Blaufärberstand geöffnet. „Ungarndeutsche brachten diese Technik ins Land“, sagt die Unternehmerin, die flussabwärts im Künstlerort Szentendre eine Firma besitzt. „Seit 1878 stellt unser Familienbetrieb mit Indigo gefärbte Stoffe her. Frauen aus dem Ort nähen daraus Tischdecken, Topflappen, Schürzen und Kleider.“

Langsam wird es dunkel. Was wäre ein Tag in Budapest ohne einen musikalischen Ausklang? In der im Neorenaissance-Stil erbauten Staatsoper finden allabendlich Konzert-, Ballett- oder Opernaufführungen statt. Weihnachtliche Musikdarbietungen gibt es in der Matthias- Kirche im Burgviertel in Buda oder in der größten Kirche der Stadt, der Sankt-Stephans-Basilika in Pest.

Wer von Konsum und hehrer Kultur die Nase voll hat, kann einfach untertauchen. Die ungarische Hauptstadt hat Dutzende Thermalbäder. Das bekannteste ist das Gellért-Bad, das sich seit 1918 am Fuße des Gellért-Berges in der Nähe der Freiheitsbrücke befindet. 1913 eröffnete das riesige Széchenyi-Bad im Stadtwäldchen. Während Touristen hier einfach nur müßig im Wasser sitzen, tun die Einheimischen auch etwas für den Kopf. Zahlreich brüten sie über Schachbrettern. Das königliche Spiel im Széchenyi ist Kult.

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