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So kann Urlaub sein. In Hurghada (hier das Hotel Royal Azur) besteht jedoch kaum Grund, das Silberjubiläum zu feiern.

© PA

Urlaub am Roten Meer: Im Wechselbad

Vor 25 Jahren begann im ägyptischen Hurghada der Tourismus – mit Höhen und Tiefen.

Das Wahrzeichen Hurghadas vergammelt allmählich. Es passt nicht so recht zu den Jubiläumsfeiern, die sich derzeit am Roten Meer häufen. Viele Tauchbasen feiern ihr Silberjubiläum. In dem Rundbau auf einer Landzunge südlich des Ortsteils Sekalla war einst das Sheraton-Hotel untergebracht. Kein Gebäude in der wuchernden Stadt steht so symbolisch für den Aufstieg, aber auch für das Scheitern in der meistbesuchten Urlaubsregion am Roten Meer. Errichtet wurde die noble Herberge bereits in den 60er Jahren – von der DDR. Eigentlich hätten verdiente Kader sich dereinst dort erholen und im Roten Meer planschen sollen. Der Sechs-Tage-Krieg 1967 machte diesen Traum jedoch zunichte.

Es dauerte mehr als zehn Jahre, bis Sheraton als Betreiber den leer stehenden Rundbau bezog. Etwa zur gleichen Zeit eröffnete rund fünf Kilometer südlich das Magawish, ein Club Méditerranée. Beide Projekte schienen zu scheitern. Die Anlagen waren nur mäßig besucht. Ein anderer hingegen war zufrieden. Der Deutsche Rudi Kneipp war stets ausgebucht, und das, obwohl die Qualität seiner Unterkunft nur mit viel Wohlwollen als „Jugendherbergsstandard“ zu betrachten war. Doch seine Klientel waren Taucher, die noch wenige Jahre zuvor froh waren, wenn sie an den Gestaden des Roten Meeres überhaupt ein Zelt aufschlagen konnten. Doch für Massentourismus schien die kleine Stadt Al Gardagha untauglich – der Name Hurghada war für die Hauptstadt der Provinz Red Sea noch nicht geläufig.

Doch vieles begann sich dramatisch zu ändern, als der ägyptische Unternehmer Mohamady Hwaidak zwischen Magawish und Sheraton sein Hotel Giftun Village baute. Ein Bruder erklärte ihn für total verrückt, wollte ihn gar in die Psychiatrie einweisen lassen. Ein Hotel in die Wüste zu bauen, konnte nur den Ruin der Familie bedeuten. Urlaub hier? Unmöglich!

Doch während die Häuser seiner Mitbewerber meist leer standen, war das Giftun vom ersten Tag an ausgebucht. Allerdings mussten die Gäste dort auch nicht wie im Sheraton 100 Dollar für die Übernachtung bezahlen, sondern nur 17. Und eine Tauchbasis hatte das Giftun auch.

Jetzt fehlten noch genau zwei Ingredienzien, um Hurghadas explosionsartiges Wachstum zu starten. Einerseits gelang es dem ägyptischen Unternehmer, viele skeptische Landsleute nun ebenfalls zu Investitionen in Hurghada zu bewegen. Andererseits schaffte er es mit einer abenteuerlichen Aktion, die ersten Charterflüge aus Europa auf dem eigentlich fürs Militär reservierten Flughafen landen zu lassen.

„Plötzlich war hier alles tot“

Zu denen, die vor 25 Jahren ihre Existenz in Hurghada gründeten, gehört Monika Wiget, die das Jasimin Diving Sport Center eröffnete. Ursprünglich mit Mann ins Land gereist, musste sie bald die Geschicke der Basis alleine lenken. Es half ihr, dass just in diesem Moment der Boom begann. Doch immer wieder wurde er unterbrochen. Zum ersten Mal im Golfkrieg 1991. Da wurde die gesamte Stadt abgeriegelt, weil die USA vor der nahe gelegenen Shedwan-Insel Flugzeugträger stationiert hatten, die jeden Tag Angriffe auf Bagdad flogen. Monika Wiget erzählt: „Erst nach dem Krieg stand fest, wann es wieder losgehen konnte.“

Eine Europäerin, die in einem so stark patriarchalisch geprägten Land ein Unternehmen aufbaut, das noch ganz nebenbei sieben Schiffe auf Kiel gelegt hat? Für viele scheint das noch heute unglaublich. Sie lacht und meint etwas süffisant: „Da haben mir meine europäischen Mitbewerber viel größere Probleme gemacht.“

Ein Phänomen, das ihre Kollegin Ute Renung bestätigen kann. Die Tauchlehrerin aus Berlin hat jüngst Jubiläum gefeiert. Es ist „nur“ das 15. Aber damit hat es eine besondere Bewandtnis. Sie eröffnete ihre Tauchbasis ausgerechnet an jenem 17. November 1997, als Attentäter in Luxor am Hatschepsut-Tempel ein Blutbad unter Touristen anrichteten und 68 Menschen starben. In der Folge brach der Tourismus völlig zusammen. Auch Monika Wiget erinnert sich: „Plötzlich war hier alles tot.“ Viele gaben in jener Zeit auf und verließen das Land. Auch Ute Renung biss sich durch, lebte vom Ersparten. Und es lohnte sich. Vor fünf Jahren wurde sie vom Gouvernement Red Sea als „beste Tauchbasis am Roten Meer“ ausgezeichnet.

Der Anschlag von Luxor bedeutete eine Zäsur. Mehr als 200 Tauchbasen hatte es in den 90er Jahren gegeben. Kaum die Hälfte überstand die Krise. Die Zahl der Taucher nahm langsam ab, die der Badeurlauber jedoch zu. Heute sind fast 60 Kilometer Küstenlinie bebaut, von der Makadi-Bucht bis wenige Kilometer vor El Gouna reiht sich Hotel an Hotel. Schwierig ist es, die Einwohnerzahl zu benennen. Einst lebten 5000 Menschen, vorwiegend Beduinen und Soldaten, in der Doppelstadt Al Gardagha. Schätzungen belaufen sich nun auf eine Zahl zwischen 100 000 und einer Million. Tatsächlich schwankt die Zahl sehr. Sie hängt von der Tourismuskonjunktur ab. Nach der Revolution brachen die Besucherzahlen erneut ein, viele Hotelangestellte kehrten in ihre Heimatorte nach Oberägypten oder ins Nildelta zurück.

Ein Großteil der Taucher ist inzwischen weiter in den Süden gezogen. Orte wie El Qesir oder Marsa Alam warten auf eine Wiederholung des Tourismuswunders. Taucher sollen auch dort als Pioniere des Fremdenverkehrs dienen. Doch fehlen bisher Unternehmer mit Pioniergeist. „Der Idealismus ist etwas auf der Strecke geblieben“, meint Monika Wiget. Kriege, Anschläge, Revolution – alles hat sie mitgemacht. Zwar war Hurghada praktisch nie direkt von all dem betroffen, doch immer wieder brachen die Geschäfte ein und es galt, sich wieder aufzurappeln. „Aufgeben“, sagt sie, „werde ich nicht.“ Sie warte auf neue Herausforderungen. Daran wird es in Ägypten kaum mangeln.

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