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Himmelpiekser. Mit 828 Metern ist der Burj Khalifa das höchste Gebäude der Welt.

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Vereinigte Arabische Emirate: Der Himmel hat noch Platz

Wenn das Öl knapp wird, soll der Reichtum bleiben. Eine neue Quelle sprudelt schon: der Tourismus. Mit Größe, Gründlichkeit und Grandezza bauen die Scheichs ihr Reich zur Lifestyle-Metropole aus.

Die Legende will es, dass der große Designer Giorgio Armani am Strand von Dubai entlangging und dort den perfekt geformten Kieselstein fand. Er rollte ihn ein wenig in der Hand hin und her, und plötzlich war es da, das Leitmotiv für die Bäder seiner brandneuen Hotelkollektion. So können sich die Gäste im weltweit ersten Armani-Hotel in Dubai nicht nur an sehr apart geformten Seifen erfreuen, sondern auch an den schicksten Shampooflaschen-Verschlüssen am Persischen Golf.

Das ist aber nur ein vergleichsweise winziger Superlativ angesichts der Tatsache, dass sich das Hotel an das höchste Gebäude der Welt schmiegt, den fast einen Kilometer hohen, silbrig glitzernden Burj Khalifa, und einen Zugang zur größten Mall der Welt hat, wo es in den mehr als 1200 Geschäften nicht nur Armani, sondern Produkte so ziemlich aller anderen wichtigen Designer der Welt zu kaufen gibt. Das alles formiert sich um einen See mit den höchsten Fontänen der Welt, die sicher mit Ursache sind für den größten Wasserverbrauch der Welt. Dazu passt das 63,3 Kilogramm schwere größte Goldornament auf dem Gold-Souk.

Willkommen in Dubai, dem Emirat der Superlative, erstanden aus der Vision eines Scheichs, der sein Wüstenland mit Wundern aus Tausendundeinem Lifestyle-Märchen bevölkern und auf diese Weise Touristen friedlich mit seiner Kultur vertraut machen wollte. Die Wachstumsraten sind gewaltig. Seit Gründung der Vereinigten Arabischen Emirate vor 40 Jahren hat sich die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus dort verzehnfacht. Im letzten Jahr kamen 20 neue Hotels hinzu mit fast 4000 Zimmern.

Schon die Anreise mit der hier ansässigen Fluggesellschaft Emirates geht nicht ohne Superlative ab. Das Entertainment-System ICE bietet mehr als 1200 Unterhaltungskanäle, darunter gut 500 Audiokanäle und über 100 Videospiele, außerdem die neuesten US-Filme und -Serien, Klassiker, Bollywood und die besten Streifen aus der arabischen Welt. Diese Vielfalt können nicht nur die Business-Class-Passagiere bei Champagner in gemütlichen Massagesesseln genießen, sondern Reisende in allen Klassen. Der neue Film „Mission Impossible“ ist eine gute Vorbereitung, denn da muss Tom Cruise von außen den Burj Khalifa emporklettern.

Kunstgalerien abseits vom Lifestyle-Märchen

Für Puristen. Das weltweit erste Armani-Hotel im Burj Khalifa setzt ein Zeichen in Dubai.
Für Puristen. Das weltweit erste Armani-Hotel im Burj Khalifa setzt ein Zeichen in Dubai.

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Nicht alle Besucher kommen jedoch mit dem Flugzeug. Die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe, die hier anlegen, sind auch potenzielle Gäste und werden als Zielgruppe immer wichtiger. Erst 2010 eröffnete ein neues Terminal mit diversen Geschäften, in dem bis zu vier Schiffe gleichzeitig abgefertigt werden können. Man erwartet, dass bis 2015 etwa 575 000 Kreuzfahrtpassagiere auf 195 Schiffen in Port Rashid ankommen werden. Ab kommenden November wird zum Beispiel „Mein Schiff 2“ von der Tui hier in See stechen.

Ein paar Tage Aufenthalt in Dubai anzuschließen, lohnt sich in jedem Fall. Nicht nur wegen der architektonischen Superlative. Etwas abseits vom Lifestyle-Märchen, im Stadtviertel Al Quoz, befindet sich ein großer Teil der Kunstgalerien des Landes in grauen Wellblechbauten. Früher waren dort Reparaturwerkstätten untergebracht. Dort träumt der Betreiber des ersten privaten Museums, Ramin Salsali, davon, mithilfe der Kunst Frieden im Mittleren Osten zu schaffen. Seine Sammlung umfasst zum Beispiel Werke iranischer Künstlerinnen, die sich mutig mit dem Thema Steinigung auseinandersetzen.

Eigentlich wollte der gebürtige Iraner das Museum in Berlin bauen, aber nach zwei Jahren in den Mühlen der Bürokratie gab er auf und zog mit seiner Idee nach Dubai. Auch dort kam irgendwann die Polizei und fragte nach einer Lizenz. „Ich habe keine Lizenz“, sagte er nur. Daraufhin wurde er nach einiger Zeit aufgefordert, sich selber eine zu schreiben.

Salsali schätzt an Dubai „die guten Flugverbindungen in alle Welt, das friedliche Miteinander von 142 Nationen und 43 Religionen und den unbeschreiblichen Zuspruch für die Kunst“. Sehr sehenswert in dem Viertel ist vor allem auch die Galerie von Isabell van den Eynde, die mit ihren sinnlich-farbenfrohen Collagen mit Tabus und Alltag spielt.

Europa und Amerika möglichst übertreffen

Kühle Eleganz im höchsten Gebäude der Welt.
Kühle Eleganz im höchsten Gebäude der Welt.

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Das Land von Tausendundeiner Möglichkeit? Tatsächlich gibt es eine ausgesprochen quirlige internationale Community, Menschen aus aller Welt, die sich Expats nennen und einige Jahre ihres Lebens gut und steuerfrei verdienen wollen.

Dubai wird rund um die Uhr weiter aufgebaut. Der Wald der Kräne erinnert fast ein bisschen an Berlin in den 90ern. Nur dass der Boden hier nicht so ockerfarben war. Und dass viele der Hochhäuser schlank sind und oft ungewöhnlich geformt.

An Downtown war vor einigen Jahren noch nicht zu denken. Damals war der berühmte Burj Al Arab das Wahrzeichen, ein meisterhaft gebautes Hotel in der Form eines riesigen Segels. Als Marketingfachfrau Seema Pande vor 18 Jahren aus Indien eintraf, waren auch die Einkaufsmöglichkeiten noch recht begrenzt. Das hat sich dramatisch geändert. Die Berlinerin Yvonne Lüdeke kam 1999, arbeitete unter anderem im Hotel Palace, einem der ersten Häuser in Downtown, das wegen seiner traditionellen Einrichtung bei Hochzeitsreisenden sehr beliebt ist und köstliche arabische Spezialitäten serviert, zum Beispiel Hummus, Babylamm und Mandelbrotpudding. Heute hat sie ihr Büro auf der anderen Seite des Sees im „The Address“, dem von romantischen Lichterbäumen umgebenen palastartigen Hotel, in dem es überall betörend nach einem speziellen, in der Grasse angefertigten Parfüm duftet. Die geräumigen Hotelzimmer strahlen den gediegenen Luxus europäischer und amerikanischer Hotel-Ikonen aus. Man stellt sich fast automatisch vor, wie die Scheichs nach der Rückkehr von einer Reise sagen, so wie in den westlichen Fünf-Sterne-Hotels soll es hier auch sein, vielleicht noch ein bisschen opulenter. Lifestyle in Dubai bedeutet offenbar auch, im Dienstleistungssektor Europa und Amerika möglichst zu übertreffen.

Hoteldirektor Philippe Zuber stammt aus Paris und war einige Jahre im Grand Hyatt am Potsdamer Platz tätig, bevor es ihn nach Dubai zog. Jetzt arbeitet er daran, das Wein- und Champagnerangebot in seinem Haus noch auszubauen. Shona Mac Sweeney, die im Armani-Hotel fürs Marketing zuständig ist, feiert Weihnachten gern in ihrer Heimat Südafrika, obwohl es in Dubai sogar Weihnachtsdeko zu kaufen gibt. Am günstigsten sei die bei Tchibo, erzählen die Expats lachend.

Die Schweizer Golf-Expertin Sibylle Müller zog es ins „The Address Montgomerie“. Das ist ein kleines, hübsches Boutique-Hotel in Emirates Hills mit 18-Loch-Golfplatz und einer prächtigen Aussicht auf die Skyline. Yasmine Rasool, die Kunstkoordinatorin im Kulturzentrum „The Pavillion“, das in Downtown junge Künstler zum Arbeiten und Netzwerken anzieht, ist halb bahrainisch, halb türkisch und in London und Montreal aufgewachsen. „Auch hier schimpfen die Leute über die hohen Benzinpreise“, erzählt sie. Aber bei einem Literpreis von ungefähr 30 Cent klagen sie doch auf ziemlich hohem Niveau.

Noch geht man großzügig um mit Energie. Zu den Attraktionen der Dubai Mall gehört eine riesige Eislaufbahn. Und es gibt in dieser von subtropischem Klima geprägten Stadt auch eine ganzjährig geöffnete Skihalle. Die längste Piste ist 400 Meter lang und hat einen Höhenunterschied von 60 Metern.

Shorts und Burka

Im Goldsouk von Dubai bleiben keine Wünsche offen.
Im Goldsouk von Dubai bleiben keine Wünsche offen.

© reuters

Die Mall bietet ein ziemlich globales Einkaufserlebnis. Man kann Tischdecken bei Bloomingdale’s kaufen, Halstücher bei Lafayette, Schuhe bei Birkenstock, Stereoanlagen bei Bang & Olufsen. Auffällig viele Kleidungsstücke bei Dior, Guess oder Gucci scheinen den Kollektionen „jung und sexy“ zu entstammen. Snacks gibt es zum Beispiel bei „Nordsee“ oder „Pizza Hut“. Die monumentale Architektur aber ist relativ eindeutig auf den arabischen Geschmack ausgerichtet.

Den größten Anteil der europäischen Touristen stellen die Briten, gefolgt von den Deutschen. Im letzten Jahr kamen über eine Million und blieben im Durchschnitt gut vier Tage. Auch Russen fühlen sich hier wohl. Seitdem der Arabische Frühling Unruhe in die Region gebracht hat, kommen immer mehr saudische Familien, die früher in Syrien oder Ägypten Urlaub gemacht haben.

In der Halle vom „The Address“ sieht man Europäerinnen in Shorts neben Frauen, die Tschador oder sogar Burka tragen und am Handgelenk teure, farbenfreudige Designertaschen. Die Männer hüllen sich in lange weiße Gewänder, und die Assoziation zu Yin und Yang liegt angesichts der schwarz-weißen Paare nicht ganz fern. Die Kleidung erinnert an die Geschichte der Nomadenvölker. In der Wüste war sie einfach praktisch.

Der 20 Milliarden US-Dollar teure Burj Khalifa ist derzeit ganz offensichtlich der größte Stolz der Einheimischen. Ganz oben fotografieren sie sich gegenseitig mit schicken Designersonnenbrillen auf der Aussichtsplattform. Es duftet nach Weihrauch, von irgendwoher erklingt gedämpfte arabische Musik.

Nach zwei- oder dreimal Schlucken ist man in 60 Sekunden oben im 124. Stockwerk, das immerhin auch schon 452 Meter über dem Grund liegt. Der Blick geht über die glitzernden, amerikanisch anmutenden Hochhausträume bis weit in die Wüste hinein.

Das höchste Restaurant der Welt

Zwei Stockwerke tiefer bereitet der neuseeländische Chefkoch Dwayne Chear mit 27 Mitarbeitern mediterrane Köstlichkeiten im wahrscheinlich höchsten von Menschenhand gebauten Restaurant der Welt zu. Die Pasta-Maschine im „At.mosphere“ hat eine atemberaubend schöne Aussicht. Auch hier herrscht gedämpfte Atmosphäre in hochmodernem Ambiente. Es gibt pochierten Hummer, Wagyu-Beef und Blattgold auf dem Schokoladendessert. Und sogar Wein wird zum Essen gereicht.

Alkohol ist für Europäer und Amerikaner ein Thema in Dubai. Klar, man ist hier liberaler als anderswo. Es gibt ja sogar zwei Kirchen, eine katholische und eine anglikanische. In Saudi-Arabien wäre das undenkbar, da ist der Bau von Kirchen streng verboten. Die Minibar im „Address Downtown“ hat zwar noch keinen Wein, aber die größten Whisky- und Ginflaschen, die man sich in einer Zimmerbar vorstellen kann. Diskret im Zimmer ist der Alkoholgenuss sogar während des Fastenmonats Ramadan möglich, wenn auch in den Hotels, die wegen ihrer Lizenzen die wichtigsten gesellschaftlichen Treffpunkte für die Ausländer sind, der Genuss auf wenige Restaurants und den Abend beschränkt ist.

Im Restaurant „At.mosphere“ kostet das Glas Champagner um die 18 Euro und das Glas Wein etwa zwölf Euro. Das Brot schmeckt köstlich und kommt von Armani. Es wird unten gebacken im wenige Monate alten Hotel mit seinen Flurteppichen aus japanischem Naturgras und einem puristischen Blumenstand, an dem in jeder Woche nur eine einzige Farbe verarbeitet werden darf. Vergangene Woche waren die Blumen lila, diese Woche sind es weiße. Sie ähneln den Wüstenblumen im superschnellen Hightech-Fahrstuhl des Burj Khalifa. Bevor man den betritt, kommt man an einem Zitat von Scheich Mohammed bin Rashid al Maktoum, dem Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate, vorbei: „Das Wort ’unmöglich’ existiert nicht im Wörterbuch der Führenden …“ Demnächst, das hat er kürzlich angekündigt, wird in Downtown Dubai auch noch eine Oper eröffnet.

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