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Flagge zeigen. Noch kreuzt die „Deutschland“ – hier bei der Einfahrt in Hamburg – unter heimischen Farben.

© Axel Heimken, dapd

Wechsel auf der Brücke: Auf Schlingerkurs

„Deutschland“-Kapitän gibt Spekulation um die Zukunft des Schiffes neue Nahrung – und muss gehen.

Die Untiefen der Boulevardpresse sind dem langjährigen Kapitän der „Deutschland“ zum Verhängnis geworden. Wiederholt hat Andreas Jungblut seinen Arbeitgeber, die Deilmann Reederei, an den Pranger gestellt, nun hat er Schiffbruch erlitten. Bereits im Sommer hatte der 59-Jährige verbale Torpedos gegen die beabsichtigte Ausflaggung des ZDF-„Traumschiffs“ abgefeuert. Sein zweites Husarenstück mochte der Eigner der Reederei, der Münchner Finanzinvestor Aurelius, nun nicht mehr hinnehmen. Jungblut hatte via „Bild“ verkündet, das liebste Schiff der Deutschen solle nach Korea verkauft werden. „Nichts als Gerüchte“, hieß es von Seiten des Eigentümers – und schickte Jungblut jetzt von der Brücke.

Bereits das erste Verbalmanöver des schneidigen Kapitäns im vergangenen Juni hatte bei der Aurelius AG für Unruhe gesorgt. Es hagelte nicht nur dem schneeweißen Image abträgliche Schlagzeilen um die „Deutschland“, die aus Kostengründen unter der Flagge Maltas segeln sollte, sondern auch im Unternehmen gab es eine kleine Meuterei: Mit Andreas Demel und Marcus Mayr kündigten zwei der drei Deilmann-Geschäftsführer, weil sie die Entscheidung gegen den Registerwechsel der „Deutschland“ nicht mittragen wollten.

Der Flaggenwechsel wurde schließlich abgeblasen. Jungblut hatte auch im Namen seiner Crew einen offenen Brief an Bundespräsident Joachim Gauck geschickt, um gegen die drohende Ausflaggung zu protestieren. Die Flagge wechsele man nicht „wie ein Hemd“, so sein Argument, das auch von vielen Deilmann-Kunden gestützt wurde.

Nun das erneute Störfeuer auf hoher See: Die Polaris Shipping, eine koreanische Frachtreederei, die seit 2011 mit Harmony Cruises auch eine eigene Kreuzfahrtschiff-Tochter mit nur einem (alten) Schiff besitzt, sei an der „Deutschland“ interessiert und Aurelius nicht abgeneigt, das „Traumschiff“ loszuwerden, kolportierte Kapitän Jungblut. Spekulationen darüber gab es schon länger. Erst vor sechs Wochen hatte die Plattform meetingpointcruises.it über einen möglichen Verkauf des Schiffes an chinesische Investoren berichtet und sich dabei auf „Branchen-Insider“ berufen. Allerdings sei der Deal am zu hohen Preis gescheitert.

Außerdem berichtet das Internetportal cruisetricks.de von „Gerüchten“, denen zufolge Aurelius rund 35 Millionen Euro für die „Deutschland“ verlangt habe, nachdem im Frühjahr noch eine Zahl von 60 Millionen Euro im Gespräch gewesen sein soll. Die Vermutung, das einzige Hochsee-Kreuzfahrtschiff unter deutscher Flagge stehe zum Verkauf, wird also von vielen Seiten unterfüttert. Die Reederei Deilmann gehört seit ihrer Insolvenz 2010 zum Finanzinvestor Aurelius und befindet sich nach dessen Aussage „noch immer in einer Sanierungsphase“. Medienberichten zufolge hat Aurelius zuletzt mehr als 8,5 Millionen Euro Minus für seine „MS Deutschland Beteiligungsgesellschaft“ verbucht. Allein das Schiff soll 2011 einen operativen Verlust von 1,5 Millionen Euro verursacht haben.

,Deutschland‘ soll das deutsche Traumschiff bleiben

Ahoi! Ex-Kapitän Jungblut.
Ahoi! Ex-Kapitän Jungblut.

© dpa

Der aufmüpfige Kapitän ist also mit sofortiger Wirkung wegen „wiederholter Fälle von illoyalem Verhalten und Vertrauensbruch gegenüber der Reederei“ abberufen, sein Nachfolger benannt worden. Neuer Kapitän der „Deutschland“ wird Elmar Mühlebach (45). Der gebürtige Schwarzwälder führt das „Traumschiff“ künftig im Wechsel mit Kapitän Andreas Greulich (52). Aufgrund von Urlaubszeiten und Aufgaben an Land hat ein Kreuzfahrtschiff in der Regel immer zwei Kapitäne, von denen jeder etwa sechs Monate im Jahr die Verantwortung für das Schiff auf See trägt.

Die Veränderungen auf der Brücke des Schiffes gehen einher mit einem „umfangreichen Zwei-Jahres-Plan, mit dem die Reederei in Zusammenarbeit mit der deutschen Politik die Zukunft der ,Deutschland‘ sichern will“. Dieser Plan solle in den nächsten Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt werden, heißt es im Hause Deilmann. Geschäftsführer Konstantin Bissias: „Wir wollen, dass die ,Deutschland‘ das deutsche Traumschiff bleibt.“

Kapitän Jungblut hingegen will seine Demission nicht widerstandslos hinnehmen. Er habe aus den Medien von seiner Entlassung erfahren und sei „schockiert“, gab er bei „Bild“ zu Protokoll. Jungblut führte in dem Bericht aus, auch weitere Kündigungen langjähriger Besatzungsmitglieder seien nicht nachvollziehbar: „Man zerstört damit das Herz und die Seele des Schiffes.“ Reederei-Sprecherin Kornelia Kneissl bestätigte drei weitere Entlassungen hochrangiger Crewmitglieder. Ansonsten wies sie Jungbluts Darstellung zurück. Diverse Gesprächsversuche seien zuvor erfolglos verlaufen. Die Reederei habe in der vergangenen Woche vergeblich versucht, ihn anzurufen. Generell sei die Erreichbarkeit Jungbluts ein großes Problem gewesen. „Die Kündigung ist auf dem Weg“, fügte die Sprecherin hinzu.

Um die Angelegenheit zu klären, hat Jungblut nun einen Rechtsanwalt gebeten, seine Interessen wahrzunehmen. Die Gewerkschaft Verdi kündigte an, ihm juristischen Beistand zu gewähren. Jungblut stand seit 27 Jahren in Diensten der Reederei Deilmann.

Unvermeidlich wohl, dass nach dem Rauswurf des Kapitäns eine Fanseite auf Facebook auftaucht. Die Gründer der „Jungblut-Fanpage“ rufen dazu auf, Anekdoten und Geschichten über den 59-Jährigen, den sie den „Robin Hood der Meere“ nennen, auszutauschen. Sie warnen aber davor, Interna zu verbreiten. Die Seite konnte bis zu unserem Redaktionsschluss am Freitag immerhin 375 Fans gewinnen. Eine Frau dankte dem Kapitän für die schönen Jahre. Eine weitere Schreiberin meinte, jetzt könne die Reederei das Schiff „verscherbeln“. Ohne Jungblut sei die „Deutschland“ nicht mehr die „Deutschland“.

Nach dem Stand der Dinge müssen sich auch ZDF-Zuschauer an einen neuen Kapitän gewöhnen. Auf dem „Traumschiff“ ist der ehemalige Steward Sascha Hehn (58) die Karriereleiter hinaufgeklettert. Er übernimmt 2013 auf der Brücke das Kommando von Siegfried Rauch, der seit 1999 den Kapitän in der ZDF-Serie mimte und sich mit 81 Jahren in den maritimen Ruhestand verabschiedet. Hehn wird der vierte Kapitän der Serie, bei der im Januar die Dreharbeiten zur 70. Folge beginnen.

In dieser Folge, die Weihnachten 2013 ausgestrahlt werden soll, wird Siegfried Rauch vor Malaysia und auf der Fahrt von Dubai nach Haifa das Kommando führen. Ob dann Sascha Hehn als Traum-Kapitän der „Deutschland“ noch eine ähnlich lange Karriere bevorsteht wie Andreas Jungblut, darf in Anbetracht der Diskussionen um das Schiff bezweifelt werden.

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