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Reise: Wer friert, taucht unter

Wenn der kommende Sommer ausfallen sollte, kann man den Spreewald trotzdem genießen. Die Therme in Burg spendiert 31 Grad warme Sole – täglich.

Unermüdlich wanderte Theodor Fontane einst durch die Mark Brandenburg. Im Spreewald indes hat er sich’s einfach in einem Kahn gemütlich gemacht. Ließ sich durch Kanäle und Fließe staken, so wie es Besucher heute, gut 130 Jahre später, auch noch tun können. Alles wie früher also? Julia Kahl, Leiterin des Tourismusamtes in Burg, schüttelt den Kopf. „Natürlich gibt es noch die klassischen Kahnfahrten, bei denen man dicht an dicht sitzt“, sagt sie. Aber viele Urlauber wollten die einzigartige Landschaft individueller und ruhiger erleben. Die könnten etwa eine Tour im „Kahn der Sinne“ buchen. Nur jeweils vier Personen dürfen sich da hineinlegen – und dann dem leise plätschernden Wasser, Vogelgezwitscher und Insektengebrumm lauschen. Es herrscht Rede- und Handyverbot. „Man kann da ganz schnell runterkommen“, sagt Julia Kahl.

Das Anti-Stressprogramm des Spreewaldes wirkt auch an Land. Auf schmalen Pfaden kann man entlang von Fließen wandern oder radeln und staunen über Motteneulchen, Erlensichelflügler oder Tagpfauenaugen. 937 Schmetterlingsarten haben sie hier entdeckt, 113 verschiedene Muscheln und Schnecken, 18 Lurch- und Kriechtierarten. Seit 1991 ist der Spreewald Biosphärenreservat, und der Schutz hat ihm gut getan.

Naturtouristen schätzen die Region zu jeder Jahreszeit und maulen nicht gleich, wenn sich die Sommersonne mal versteckt. Aber wenn es tagelang kalt ist und sich die Fließe im Griesegrau verlieren wie in der zurückliegenden Hochsaison, dann möchte der Urlauber eine Alternative. „Dann“, sagt Julia Kahn, „haben wir ja unsere Sole-Therme.“ 2005 wurde sie eröffnet und schnell zum Publikumsmagnet. Gab es im Jahre 2005 in der Gemeinde Burg 30 Hotel- und Pensionsbetriebe, so sind es nun 47. Und die Übernachtungszahlen steigen stetig, mindestens 380 000 wird die Statistik wohl zum Ende dieses Jahres ausweisen. „Dank der Therme sind wir, anders als andere, ohne große Einbußen durch den kühlen Sommer gekommen“, sagt Julia Kahl.

Dabei hatten anfangs viele gehadert mit dem Bau. „Wir wünschten uns was Rundes, Welliges“, erzählt Marketingchefin Heidi Ruske. Aber alle vier beauftragen Architekturbüros hätten „eckige“ Entwürfe präsentiert. Das ausgewählte Team begründete das so: „Wenn man von oben auf den Spreewald schaut, sieht man rechteckige, von Fließen durchschnittene Felder. Da muss sich die Therme entsprechend einfügen.“ Das tut sie nun, schnörkellos, fast puristisch. „In den meisten Thermen ist es innen Blau oder Türkis, das sind die typischen Thermenfarben, aber bei uns ist es Grün, das passt besser in den Spreewald“, erläutert die Expertin.

Wasserrutschen und Wellenbad kann man hier nicht erwarten. „Wir sind ein Gesundheitsbad“, sagt Heidi Ruske stolz. Deshalb wird an der Theke im Saunabereich kein Alkohol ausgeschenkt, und das lichtdurchflutete Restaurant setzt auf gesunde, regionale Küche. Pommes und Bratwurst stehen nicht auf der Karte. „Aber Kinder wollen das“, wurde anfangs protestiert. In der Therme blieben sie hart. „Kinder bekommen bei uns Milchreis, das schmeckt ihnen auch“, sagt Heidi Ruske. Man habe auch ältere Gäste „ein wenig erziehen“ müssen. „Als wir den Schmandhering von der Karte nahmen, beliebtes Gericht bei unseren Gästen aus der Region, kam das einer Revolution gleich“, erzählt die Marketingchefin lächelnd und fügt hinzu: „Heute probieren die Gäste auch mal Linsensalat mit Fischspießchen.“

Regional ist erste Wahl in diesem Bad, auch bei den Wellnessanwendungen. Da gibt es die „Fährmannmassage“, die „Leinewebermassage“ oder „Stilles Fließ“, eine Seifenbürstenmassage für zwei Personen. Packungen sind hier schlammgrün, denn sie werden aus Spreewaldalgen gemacht. „Gleich bei der Anlegestelle im Burger Hafen hat man vierzellige Mikroalgen gefunden, die nun in einer Firma bei Potsdam gezüchtet und für kosmetische Zwecke weiterverarbeitet werden“, sagt Heidi Ruske. Zum Glück, denn „wir können hier doch keine Algen aus China verwenden“, findet sie.

Auch Kräuterfrauen der Umgebung hatten ihren Anteil am Wellnessangebot in der Therme. Für Anwendungen nutze man nun auch Produkte aus der Rinde von Kopfweiden bis hin zu Beinwell. Da Beinwell nicht gut rieche, mische man Wasserminze in die Creme. „Wasserminze“, sagt Heidi Ruske fröhlich, „wächst bei uns natürlich auch.“

Selbstverständlich darf man in dieser Therme auch einfach nur so im warmen Wasser dümpeln. Aber das weist einen nicht als Profi aus. „Gesundbaden geht anders“, sagt die Marketingchefin. „Kenner arbeiten sich vom niedrig temperierten Wasser weiter vor ins wärmere Nass.“ Erst schwimme man zehn Minuten im „Bewegungsbecken“, gehe dann zu Wechselbädern über. Ein Becken mit 18 Grad kaltem Wasser befindet sich neben einem mit 38 Grad. Erst ins Kalte, dann ins Warme – da ist wohliges Hautkribbeln garantiert.

So viel ist in dieser Therme zu testen, dass sich ein (Regen-)Tag darin gut und gern aushalten lässt. Die Feuersauna zum Beispiel – eine große Schwitzkabine mit offenem Kamin – macht nicht nur im Winter Spaß. Am frühen Abend fällt man dann müde ins Bett und ist am nächsten Morgen zeitig wieder fit. Vielleicht klappt’s dann sogar noch mit einer „Sonnenaufgangsfahrt“ – auch so ein Angebot, mit dem Burg neuerdings Furore macht.

„Beliebt sind auch unsere Mondscheinfahrten“, sagt Julia Kahl. Da werden manchmal auch Sagen erzählt. In einer erfährt man, wie der Spreewald entstanden ist. Der Teufel pflügte die Spree mit einem Ochsengespann. Weil es ihm nicht schnell genug ging, schalt er das „faule Vieh“ und warf seine Mütze nach ihm. Die erschrockenen Tiere stoben, den Pflug hinter sich, kreuz und quer davon. So entstanden die Fließe.

Wissenschaftler würden das natürlich anders erklären. Aber, nachts im Boot unterwegs, klingt die Teufelsgeschichte sehr plausibel.

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