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Wroclaw_Spaßbad

© Stefan Jacobs

Wroclaw, km 2195: Mit Vergnügen baden gehen

Die niederschlesische Hauptstadt Breslau mit ihren rund 640.000 Einwohnern boomt derart, dass die Löhne auf deutsches Niveau gestiegen sind, teilweise noch höher. Pawel Moras baut mit deutschen Gastarbeitern, denn die sind einfach billiger als die Polen.

Breslau muss investorenfreundlicher werden. - Pawel Moras, 2004

Der Baustellenparkplatz vor Polens größtem Vergnügungsbad steht voller Handwerkerautos mit brandenburgischen und sächsischen Nummernschildern. Das zwischen einem Stadtpark und angewitterten Plattenblocks errichtete Gebäude ist bald fertig, in den Gängen riecht es nach Farbe und Elektrowerkzeugen. "Unsere deutschen Gastarbeiter machen einen guten Job", sagt Pawel Moras und muss lachen, weil das für ihn selber komisch klingt. Schließlich kennt er die Warnungen aus der Zeit der EU-Erweiterung: Mit Dumpingpreisen würden polnische Arbeiter deutschen Handwerksbetrieben den Garaus machen, hieß es vor drei Jahren allenthalben, vor allem bei deutschen Politikern und Gewerkschaftern. Sie haben sich gründlich geirrt.

Die niederschlesische Hauptstadt Breslau mit ihren rund 640.000 Einwohnern boomt derart, dass die Löhne auf deutsches Niveau gestiegen sind, teilweise noch höher. Überall wird gebaut im heutigen Wroclaw - Straßen mit EU-Geld, Plätze mit polnischem, Häuser mit privatem. Zugleich sind hunderttausende gut ausgebildete Polen zum Geldverdienen nach Großbritannien und Irland ausgewandert, wo ihnen - anders als in Deutschland - der Arbeitsmarkt offen steht. Den Anfang dieser Entwicklung hat Pawel Moras noch als Wirtschaftsreferent in der Breslauer Stadtverwaltung miterlebt. Nach einer erfolglosen Kandidatur fürs Europaparlament war er eine Zeitlang Staatssekretär in der Regionalverwaltung, aber das Klima unter der Kaczynski-Regierung und sein Ehrgeiz trieben ihn in die private Wirtschaft.

Hier erlebt Moras jetzt, wie die Konjunktur die Preise bestimmt: Bei der Elektroinstallation lag ein deutsches Angebot 20 Prozent unter dem günstigsten polnischen. Bei den Malerarbeiten war eine Chemnitzer Firma zehn Prozent preiswerter als eine aus Polen. Im Treppenhaus bestätigt ein Maler von der Leiter herab in schönstem Sächsisch: "Wir bekommen deutschen Tarif." Man arbeite jeweils zehn Tage am Stück, damit sich die Anfahrt lohne. Ein Elektriker, der vor einer Verteilerdose hockt, bestätigt: "Keine Vor- oder Nachteile." Sonst sind die Deutschen hier so wortkarg, als hätte man sie bei etwas Ungehörigem erwischt. Einer sagt noch, während er sich wieder seiner Arbeit zuwendet: "Die Terminabsprachen sind in Polen etwas, ähm, unverbindlicher."

Pawel Moras sagt, man solle sich lieber keine voreiligen Termine setzen. Ursprünglich sollte das Spaßbad schon im Frühjahr öffnen, nun wird es wohl August. Moras erzählt von einem Einkaufszentrum ganz in der Nähe, bei dem es auch nicht schnell genug gehen konnte. Mit der Konsequenz, dass die Bauaufsicht die Kunden am Eröffnungstag wieder rausgescheucht habe. 35 Millionen Euro investiert der deutsche Interspa-Konzern in die Attraktion, zu der auch Bahnschwimmhalle, Fitnessräume, Saunen und Cafés gehören. Auch die Stadt beteiligt sich. Später soll sie eine Mindestrendite sichern. Für den ehemaligen Verwaltungsangestellten Pawel Moras geht das in Ordnung: "Sonst bekäme Breslau eben kein solches Bad." EU-Geld erhalte man nicht.

Die Baustellensprache ist Deutsch, weil die Handwerker kein Polnisch sprechen. Moras erzählt von einer Konferenz mit hohen ostdeutschen Verwaltungsleuten im Frühjahr. Die hätten erklärt, dass die Polen wegen künftiger Jobmöglichkeiten dringend Deutsch lernen sollten. "Ich bin ziemlich wütend geworden und habe denen gesagt, dass wir hier eine Baustelle mit 80 Prozent deutschen Arbeitern haben. Die haben ohne Sprachkenntnisse in Polen keine Aufstiegschancen." Dann hat er noch gesagt, dass in Niederschlesien eine halbe Million Schüler Deutsch lernen und in Brandenburg und Sachsen jeweils kaum mehr als tausend Polnisch. Ärgern Sie sich über so viel deutsche Hochnäsigkeit, Herr Moras? Da lächelt er: "Arroganz gibt es doch auf beiden Seiten." Er ärgert sich wohl wirklich nicht. Stattdessen sagt er: "Sie werden in den nächsten Jahren noch viel von Breslau hören." Stefan Jacobs

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