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„Diamant“ am Heck. Der Neubau von Tui Cruises soll richtig glänzen, etwa mit exklusiver Gastronomie im Glaspalast.

© promo

Zu günstig?: Wo Bäume in den Himmel wachsen

Öfter mal ein Neues: Für die Hochsee werden weitere Schiffe in Dienst gestellt. Das drückt die Preise.

Hört, hört! Da klagt der Chef von Tui Cruises dieser Tage in einem Interview mit dem Fachblatt „fvw“: „Die Kreuzfahrt ist zu günstig.“ Hat Richard Vogel recht? Und wenn ja, woran mag das liegen? Haben sich die Reeder möglicherweise selbst ein Bein gestellt, indem sie zügig Jahr für Jahr neue und vor allem große bis riesige Schiffe vom Stapel geschubst haben, darauf vertrauend, dass Urlaubswillige sich wie die Lemminge aufs Wasser stürzen und dabei zwangsläufig in einer der vielen Schiffskabinen landen?

Verlockend ist eine Seereise mit Sicherheit für viele, zumal es an Sonderangeboten nicht mangelt, eine Reise also grundsätzlich auch für Otto Normalurlauber erschwinglich erscheint. Doch obwohl von den Entscheidern in der Branche immer wieder beteuert wird, die Kreuzfahrt stehe erst am Anfang einer dollen Entwicklung, kann sich der Beobachter nicht des Eindrucks erwehren, dass es bereits heute gewisse Überkapazitäten gibt, die offenbar nur über den Preis an den Gast gebracht werden können.

Wer sich auf den Buchungspfad begibt, muss manchmal staunen. Aktuelles Beispiel: Anfang April mit der „MSC Splendida“ sieben Tage durchs westliche Mittelmeer für 664 Euro (Innenkabine), inklusive Flug Berlin–Barcelona und zurück. Rechnet man den Ticketpreis von 170 Euro (Easyjet ab Schönefeld), der für den Individualurlauber realistisch wäre, noch heraus, bleibt eine Tagesrate von 70 Euro pro Person. Dafür bekommt der Passagier an Bord dann so einiges geboten. Neben dem Bett auch die Vollverpflegung quasi rund um die Uhr.

Dazu wird er befördert. Um beim Beispiel zu bleiben: von Barcelona über Tunis und Rom zurück nach Barcelona, eine gehörige Strecke also. Außerdem wird der Gast den ganzen Tag mit allerlei Aktivitäten bespaßt, das allerdings auch nur, wenn er das möchte. Und ob sich jeder die meist aufwendigen Abendshows antut, steht auf einem anderen Blatt. Oft sind sie sogar sehenswert, in jedem Fall jedoch im Preis enthalten. Zu günstig? Dem Kreuzfahrer darf es gleichgültig sein. Der Reeder muss damit zurechtkommen.

Und zieht der Unternehmungslustige mal den Vergleich zu einem Hotel an Land, fragt er sich: Wie machen die das auf den Schiffen? Nehmen wir ein in Berlin (attraktives Zielgebiet!) verankertes „Dickschiff“ wie das Hotel Estrel, das in vielerlei Hinsicht mit einem mittelgroßen Musikdampfer vergleichbar ist: 1125 Zimmer und Suiten, fünf Restaurants, drei Bars, ein moderner Wellness- und Fitness-Bereich sowie eine Bühne mit abendlichem Entertainment im Las-Vegas-Stil. Dort kostet das schlichte Doppelzimmer 110 Euro pro Nacht. Zusätzlich werden 18 Euro pro Nase fällig, möchte sich der Gast am Frühstücksbüfett bedienen. Ergeben sich bereits 73 Euro pro Person und Nacht.

Kreuzfahrtindustrie muss den Wert des Produkts richtig kommunizieren

Für die Kalorienzufuhr im Laufe des Tages und eine wie auch immer geartete Unterhaltung muss der Reisende dann selbst sorgen und sie bezahlen. Und darüber, dass sich das Hotel etwa mal nach Potsdam oder in den Spreewald bewegt hätte, ist auch noch nichts ruchbar geworden. Auch das wären demnach Kosten, die auf den Berlin-Besucher zukämen. Also im Vergleich zu einer Reise nach Berlin darf eine Kreuzfahrt auf dem Niveau des genannten Beispiels schon als sensationell günstig gelten.

„Schuld“ an dem Eindruck, dass eine Kreuzfahrt immer günstiger wird, sind auch nach Vogels Wahrnehmung die sogenannten Volumenanbieter, also die Reedereien, die Schiffe mit vier- und fünftausend Betten auf den Markt steuern. Wenn man das gesamte Leistungsspektrum einer Seereise berücksichtige, müsse das Produkt jedoch viel teurer sein, gibt Vogel zu Protokoll. Wenn die Kreuzfahrtindustrie künftig noch ausreichende Margen erzielen wolle, müsse sie den Wert des Produkts richtig kommunizieren. Schließlich sei auch absehbar, dass neue Regeln etwa zur Abgasemission zwangsläufig Preiserhöhungen nach sich ziehen werden.

Bisher trägt der Chef von Tui Cruises mit seinem Unternehmen vergleichbar wenig zu bestehenden Überkapazitäten auf den Weltmeeren bei. Auch daran, dass die Durchschnittspreise für Urlaubstörns im vergangenen Jahr nachgegeben haben, hat Tui Cruises nicht mitgewirkt. Das Konzept des „Premium All Inclusive“ hat seinen Preis, wird nach Angaben des Unternehmens jedoch bestens verkauft. Die Flotte besteht heute aus zwei Schiffen, die mit knapp 2000 Passagieren zu den mittelgroßen der Branche zählen. Doch es erscheinen auch hier weitere Neubauten am Horizont: „Mein Schiff 3“ wird im Mai in der STX-Werft im finnischen Turku auf Kiel gelegt, sie soll im Frühjahr 2014 in Dienst gestellt werden und ist bereits buchbar. Erste Produktionsschritte für „Mein Schiff 4“ werden ebenfalls in Finnland in diesem Mai eingeleitet. Die neuen „Wohlfühlschiffe“ werden knapp 300 Meter lang und für 2500 Passagiere ausgelegt sein.

Zwar erreicht die Zahl der Stapelläufe neuer Schiffe in diesem Jahr nicht das Ausmaß der vergangenen Jahre. Doch es kommen sechs Neubauten mit insgesamt 13 580 schwimmenden Betten hinzu, die es nicht leicht machen werden, von Schleuderpreisen wegzukommen. Und die Reedereien, die auf den sieben Weltmeeren unterwegs sind, lassen sich immer neue Dinge einfallen, um Aufmerksamkeit zu erregen und Passagiere anzulocken. Beispielsweise ist eben erst die „Norwegian Breakaway“ aus der Meyer-Werft in Papenburg ausgedockt worden, um nach einigen Tests auf Jungfernfahrt zu gehen.

Der Neubau wird die erste Salzgrotte auf hoher See bieten und einen Aqua-Park mit Wasserrutschen, die den freien Fall in die Tiefe ermöglichen. Auf der „Royal Princess“ von Princess Cruises sollen Passagiere auf einem gläsernen Spazierweg wandeln, der über die Reling hinausragt – fast 40 Meter über dem Meer. Und auf der neuen „Aida Stella“ gibt es tatsächlich einen Wellnessbereich, wo Bäume in den Himmel wachsen...

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