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Landausflug mit zwei PS. Schließlich ist Hiddensee auch autofrei.Foto: picture-alliance

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Reise: Zum Dichter auf Hiddensee

Mit „Frederic Chopin“ von Stralsund bis Potsdam.

Ja, was will man denn mehr als die eierlegende Wollmilchsau – eine kombinierte Meer-Fluss-Kanalkreuzfahrt. Stralsund–Potsdam heißt die generelle Route. Doch bevor es in die Oder und diverse Kanäle zur Havel geht, gibt es für die Passagiere der „Frederic Chopin“ (ohne jedes accent aigu) einen Hauch von Abenteuer: ein winziges Stück fast offene Ostsee auf dem Weg zum Darß, nach Hiddensee und Rügen. Ungewohntes Revier für ein Flussschiff.

Ist ein leichtes Stöhnen unter den 80 Passagieren zu hören? Eben hat die Kreuzfahrtdirektorin über Bordlautsprecher Regen für den Nachmittag angesagt. Oh nein, jetzt ist der Ausflug nach Ahrenshoop schon gebucht! „No problem“, juxt einer aus der englischen Reisegruppe. „Unser Wetter.“ Zur Beruhigung aller gibt’s erstmal klassische Musik im Salon. Über Lautsprecher. Für die Live-Unterhaltung an Bord muss allein der Keyboarder sorgen, der sich zu entsprechenden Zeiten vis-à-vis der Bordbar redlich müht, mit einem Repertoire abseits der Klassik.

Noch ist die See wenig kabbelig, Zeit, in Ruhe das Schiff zu inspizieren. „Freddy“, wie die Besatzung schon mal sagt, kann sein Deilmann-Erbe nicht verhehlen. Nicko Tours hat die Schiffe aus der Insolvenz übernommen und keine Veranlassung gesehen, irgendetwas zu ändern. Das Publikum liebt offenbar den Mix aus Jugendstil- und Plüschelementen in den Grundfarben Burgunder und Gold. Die Kabinen sind klein, aber sehr zweckmäßig. Kein Ort, wo man sich tagsüber aufhalten möchte, doch wer will das schon. Schließlich gibt’s an Deck stets was zu sehen, selbst wenn die Sonne mal nicht lacht.

Am kleinen Boddenanleger in Zingst ist „Freddy“ eine Sensation. Landratten strömen herbei. Nein, das Schiff ist nicht von innen zu besichtigen. Himmel, diese Nicht-Kreuzfahrer!

Gern hätte sich der Gast hier mal aufs Rad geschwungen, um die Halbinsel auf eigene Faust zu erkunden. Doch irgendwie ist heute kein Radelwetter. Also Ahrenshoop. Es soll sich „gemacht“ haben, hatte man gehört. Ein ansehnliches Künstlerdorf. Ja, das Ostseebad zwischen Meer und Bodden mit seinen Kunstkaten und -häusern ist schon ganz putzig anzuschauen. Bei einigen Lädchen hingegen ist die Anstrengung unverkennbar, ein gewisses Sylt-Flair hinzubekommen. Klappt nicht so ganz, außer bei den Preisen. Ade Zingst, tschüss „Fisch-Kruse“ am Pier, der an den vollpensionierten Kreuzfahrern nichts verdienen konnte, Hiddensee ahoi!

Die Ostsee benimmt sich gut, „Freddy“ absolviert die Überfahrt nach Vitte mit Bravour. Und der Himmel reißt auf. Fast glaubt man, selbst die Kaltblüter vor den bereit stehenden Kutschen lachen. Und die geplante Kurzrundfahrt über das „Capri von Pommern“ – hallo, geht’s auch etwas kleiner? – lässt sich niemand entgehen. Der erste Haltepunkt, ein Bernsteinladen im Inselort Kloster, kommt bei den Engländern besonders gut an. Andere wandern eher unschlüssig umher, die meisten besuchen jedoch die hübsche Inselkirche, verharren eine Minute dahinter, am Grab von Gerhart Hauptmann.

Von Vitte nach Schaprode auf Rügen ist es wirklich nur ein Muschelwurf. Schwimmen will keiner der Passagiere, also erledigt die „Frederic Chopin“ die Sache. Wer Rügen noch gar nicht kennt, für den ist die Busfahrt zu den Kreidefelsen ein Augenöffner. Ganz schön groß die Insel. Am Königstuhl wird gestaunt und auch gelernt, wie gefährlich die Steilküste sein kann.

Auf dem Weg zur Oder, wo die eigentliche Flussfahrt je erst beginnt, wird noch ein Abstecher nach Greifswald eingelegt, Heimatstadt von Caspar David Friedrich, der allen spätestens seit den Kreidefelsen ein Begriff ist. Greifswald hat sich wirklich gemacht, fast könnte man sich vorstellen, in diesem jung wirkenden Universitätsstädtchen zu leben.

Der Lotse ist bereits in Wolgast zugestiegen, über Nacht geht’s durchs Stettiner Haff in die Oder. Im Morgendunst sitzen Kormorane auf Leuchtfeuern, am Ufer ducken sich alte Kapitänshäuser. Der Fluss ist hier noch enorm breit, unterteilt in mehrere Arme. Stettin kündigt sich durch Kräne und Industrie an. Der Höhenflug der polnischen Wirtschaft ist hier zumindest nicht augenfällig. Auch nicht in Stettin. Eine Stadt mit problembeladener Vergangenheit. Sehenswert, doch sehr schwierig für Touristen, die nur auf der Durchreise sind.

Danach, der pure Genuss. Bei Hohensaaten geht es ab gen Westen zum Schiffshebewerk Niederfinow, wo alle an Bord begeistert sind über die Fahrstuhlfahrt mit „Freddy“. Dann Berlin! Wird bei Nacht passiert. Erst Potsdam glänzt wieder im Morgenlicht. Berlin zum Trost: Auswärtige Gäste hängen gern ein paar Tage in der Hauptstadt dran.

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