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Rezession: German Gelassenheit trotz Wirtschaftskrise

Die Deutschen fürchten Rezession und Arbeitslosigkeit – sie haben aber nicht mehr Angst als früher. German Angst scheint ein Relikt der Vergangenheit zu sein.

Berlin - Es ist Mitte des Monats und der Countdown auf dem Kontoauszug zählt gnadenlos gegen null. Die Kurzarbeit reicht gerade, um die Miete zu bezahlen, doch dann sinkt der Stundenlohn auf sechs Euro. Und dann werden auch noch die Sozialleistungen gekürzt.

Was wie ein fiktiver Alptraum klingt, bringt einer neuen Studie zufolge die Deutschen auch ganz real um den Schlaf. Die R+V Versicherungen hatten die Gesellschaft für Konsumforschung beauftragt herauszufinden, welche von 16 verschiedenen Szenarien die Deutschen in diesem Jahr besonders bedrohlich finden. Ein Ergebnis: 66 Prozent der Befragten hätten besondere Angst vor einer schlechteren Wirtschaftslage, sagte Politikwissenschaftler Manfred Schmidt von der Uni Heidelberg bei der Präsentation der Studie. Kein anderes Thema machte den Menschen mehr Sorgen.

Angesichts der gegenwärtigen Finanzkrise fürchten sich die Deutschen zudem vor einer allgemein höheren Arbeitslosigkeit. Besonders die Berliner haben demnach im Vergleich mit den anderen Bundesländern die größte Angst vor den Folgen der Krise: 71 Prozent der Hauptstädter befürchten eine höhere Arbeitslosigkeit in Deutschland.

In Mecklenburg-Vorpommern dagegen haben die Menschen am meisten Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten. Für 82 Prozent der Befragten dort ist dies das Hauptthema. In Sachsen-Anhalt wiederum haben 79 Prozent der Befragten besonders große Furcht, ihren eigenen Arbeitsplatz zu verlieren.

Doch der Politologe Schmidt kommt zu einem überraschenden Schluss: Die Deutschen sind insgesamt ungewöhnlich gelassen. „Man hätte bei diesen Auswirkungen erwartet, dass sich Panik wie 1931 breit macht. Aber es ist bisher nichts Vergleichbares passiert“, sagte Schmidt. So sei zwar die Angst vor den Folgen der Krise im Vergleich zum Jahr 2008 gestiegen. Der Gesamtdurchschnitt aller abgefragten Ängste sei jedoch seit 2007 mit 44 Prozent unverändert geblieben.

„Das bedeutet, dass die Sorgen um die Wirtschaftskrise nicht ausstrahlen, obwohl im Grunde ein Normenverfall zu erwarten wäre“, sagte Schmidt. Er führte dies darauf zurück, dass „das Krisenmanagement der Großen Koalition wie eine Beruhigungspille wirkt“. Sozialstaatliche Programme wie Kurzarbeit und die Erhöhung der Altersrenten sendeten ebenfalls beruhigende Signale. Schließlich würden der immer noch hohe Wohlstand und der soziale Frieden im Land wie ein Sicherheitspolster wahrgenommen.

Allerdings ist die Angst vor allgemeineren Gefahren wie Krieg und Terror gestiegen. Jeder zweite Berliner hat vor einem Anschlag mit terroristischem Hintergrund große Angst – das sind 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch vor Naturkatastrophen haben 56 Prozent der Befragten große Angst. Im Osten Deutschlands ist die Angst sogar in diesem Bereich noch größer. „Das hängt mit der Umweltschutzpolitik zusammen, die sich im Westen früher verfestigt hat“, sagt Schmidt. Die Zahlen zeigen zudem, dass vor allem der persönliche Bereich der über 2300 Befragten frei von Sorge ist. Weder leiden die Menschen verstärkt unter Trennungsängsten, noch befürchten sie, Opfer einer Straftat zu werden. Dass die eigenen Kinder drogensüchtig werden könnten, glauben in diesem Jahr sogar acht Prozent weniger als 2008. Lediglich die Furcht, im Alter ein Pflegefall zu werden, stieg leicht auf 54 Prozent. Sie ist mit Abstand die größte persönliche Sorge.

Im Vergleich zu den anderen Altersgruppen sind die jungen Deutschen am sorglosesten. Nur ein gutes Drittel der 15- bis 19-Jährigen hat überhaupt vor irgendetwas „große Angst“. Auch die Deutschen ab 60 Jahren sind ziemlich entspannt, nur 42 Prozent fürchten sich hier sehr. Dagegen sind die 40- bis 59-Jährigen besonders stark von Sorge erfüllt. Dabei spielt es kaum eine Rolle, wo die Befragten leben. In den vergangenen zwei Jahren hat sich das Angstniveau in Ost und West nahezu angeglichen.

Im Vergleich der einzelnen Bundesländer haben die Brandenburger am meisten Ängste. Die Thüringer, Saarländer und Baden-Württemberger dagegen schlafen nachts am besten.

Robin Rothweiler

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