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Panorama: „Roke“ wütet – Japan alarmiert

Arbeiter sichern Atomruine in Fukushima

Seit 23 Uhr am Dienstag schon goss es ununterbrochen. Ab 15 Uhr am Mittwoch peitschte der Regen dann so heftig, dass man kaum einen Meter weit sehen konnte. Auf den Straßen tanzten zerrissene Regenschirme, an der Sakurada-Allee, einer Hauptverkehrsstraße im Zentrum von Tokio, wurden mehrere Bäume abgeknickt und auf die Straße geweht. Feuerwehr und Polizei waren im Dauereinsatz. Sirenen heulten, der Wind peitschte Wasser über die Straßen, der Fernsehsender NHK berichtete, im ganzen Land seien 520 000 Haushalte ohne Strom.

Mit einer Windgeschwindigkeit von bis zu 160 Kilometern pro Stunde – Böen erreichten sogar 240 Kilometer pro Stunde – hat „Roke“, der 15. Taifun dieses Sommers, die japanische Hauptstadt erreicht. Taifune sind hier etwas ganz Normales, dieser wurde jedoch als extrem kräftig eingestuft. In Nagoya, 350 Kilometer westlich von Tokio, verursachte er starke Überschwemmungen und führte zu einer Evakuierungsempfehlung für mehr als eine Million Einwohner.

Um 16 Uhr am Mittwoch gab das Rathaus in Tokio eine Warnung vor Sturm und Überschwemmungen über die öffentlichen Lautsprechersysteme aus. Viele Fabriken, Büros, Universitäten und Geschäfte machten vorzeitig Feierabend. Unternehmen wie der weltgrößte Autobauer Toyota setzten die Arbeit in einigen Fabriken aus. Auch die Deutsche Schule in Yokohama und andere Schulen des Landes ließen ihre Schüler früher nach Hause. Als Vorsichtsmaßnahme, damit die Menschen nicht auf dem Heimweg stecken blieben. Für viele kam das aber zu spät. Die um das Stadtzentrum von Tokio führende Yamanote-Ringbahn ist aus allen Richtungen gegen Wind anfällig und kam ab dem frühen Nachmittag ins Stocken. Ab 17 Uhr fuhr für Stunden in Tokio kein einziger Zug mehr. In den Bahnhöfen standen die Gestrandeten. Erinnerungen an den 11. März wurden wach, als nach dem Erdbeben der Verkehr komplett zusammengebrochen war.

Über Nacht sollte „Roke“ über Fukushima und das havarierte Atomkraftwerk entlang der Pazifikküste nach Nordosten ziehen. Im Erdbebengebiet wurde mit Überschwemmungen und Erdrutschen gerechnet. Befürchtet wurde auch, dass im Atomkraftwerk wieder Strahlung ins Grundwasser und das Meer gelangt. Bewusstsein und Sorge um die Auswirkungen der Atomkrise sind in Tokio weiterhin täglich präsent. Konkrete Gedanken macht sich hier aber kaum noch jemand, die Auswirkungen werden mittlerweile mit einem Schulterzucken abgetan: „Shikata-nai“, da kann man nichts machen.

Die Arbeiten im havarierten Kraftwerk waren laut dem Betreiber Tepco unterbrochen, eine Gefahr für die Kühlsysteme bestehe jedoch nicht, hieß es gestern. Arbeiter an der Atomruine versuchten, die Anlage auf die Ankunft des Sturms vorzubereiten. Lose Kabel und Schläuche seien befestigt und Planen über die beschädigten Gebäude gezogen worden. Die Bemühungen sollten den Angaben zufolge verhindern, dass radioaktive Partikel aufgewirbelt werden oder Regenwasser in die zerstörten Reaktoren eindringt. mit AFP/dpa

 Jesper Weber[Tokio]

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