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Rom: Trocken in Trastevere

Vergewaltigungen, Messerstechereien, Gewaltorgien bei Fußballspielen: Im Kampf gegen Exzesse untersagt Rom den nächtlichen Verkauf von Alkohol zum Mitnehmen.

Vergewaltigungen in der Neujahrsnacht, eine Messerstecherei kurz danach, wüste Fußballschlachten auf dem Campo de’ Fiori, Musikgehämmere und Krawall bis in die Puppen – der römischen Stadtverwaltung wird es zu viel. Und weil sie, die vor neun Monaten überraschten gewählten Rechten, ohnehin Sicherheit und Ordnung auf ihre Fahnen geschrieben hatten, wird nun gehandelt.

Von diesem Wochenende an ist im historischen Zentrum, im Kneipenquartier Trastevere sowie in den Szenevierteln San Lorenzo und Testaccio der Verkauf von Alkohol zum Mitnehmen untersagt. Das Verbot gilt ab 21 Uhr. Um zwei Uhr nachts müssen dann auch die Lokale schließen.

Außerdem will man die heute stockdunklen, historischen Gassen stärker erleuchten, eine Videoüberwachung einrichten, „die sich mit anderen europäischen Hauptstädten messen kann“, und – etwa am „Säuferdreieck“ um die Piazza Navona herum – mehr Alkoholkontrolleure postieren.

„Wir haben nichts gegen Vergnügungen“, sagt Bürgermeister Gianni Alemanno, „aber wir müssen was gegen die Kultur der Exzesse tun. Man kann ja auch Spaß haben, ohne die Selbstkontrolle und das Bewusstsein zu verlieren.“

„Das ist Freiheitsberaubung!“, schimpfen hingegen die Einzelhändler: „Die Notlage verstehe ich schon“, sagt ihr Verbandschef Cesare Pambianchi, „aber auf diese Weise wird Rom zur Stadt der Verbote!“

Dass sich Rom irgendetwas verbieten ließe, das wäre allerdings eine revolutionäre Neuigkeit. Deswegen sehen die Einheimischen die neue Regelung genauso gelassen wie alle vorhergehenden Versuche auch. Glas war im Sommer schon länger verboten auf dem Campo de’ Fiori, dem innerstädtischen Kreuzungspunkt der Nachtschwärmer-Massen; Besäufnisse, Schlägereien, zerbrochene Fensterscheiben gab es trotzdem mehrmals pro Woche. Am nächsten Morgen waren Platz und Gassen eben mit Plastikbechern übersät.

Und wie soll man mit den neuen Verboten umgehen? Lokalzeitungen weisen darauf hin, dass der Alkoholverkauf nur in bestimmten Zonen untersagt ist. Wer seine Flaschen von zu Hause – oder im Fall von Touristen: aus dem Hotel – mitbringt, kann flanierend trinken, was und wann er will. Getränkeautomaten gibt es sowieso. Außerdem stehen in Rom die heute schon illegalen, ambulanten Verkäufer von allem möglichen Krimskrams an jeder Gassenecke; noch kein Rathausbeschluss, noch keine Polizeirazzia – ohnedies meist halbherzig – haben sie vertrieben.

Schwierigkeiten hat die Stadtverwaltung auch mit der Klassifizierung der Geschäfte. Viele Straßenrestaurants sind nicht als Bewirtungs-, sondern als Handwerksbetriebe gemeldet – Stehpizzerien etwa, die jetzt um ihr Ende fürchten, wenn sie nach 21 Uhr kein Bier mehr verkaufen dürfen. Und mehr als hundert Trattorien, Discos oder Nachtlokale tarnen sich aus Steuer- und Disziplingründen als „Kulturvereinigung“. Darunter sind Lokale, die in internationalen Reiseführern stehen, den römischen Behörden aber bisher nicht weiter aufgefallen sind.

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