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Doch etwas anders als in Köln oder Düsseldorf.

© Luiz Eduardo Perez/dpa

Samba-Rausch und Tropenregen: Rio tanzt im Karneval

Brasilien ist im Karnevalsrausch und das Party-Zentrum liegt in Rio. Dort bringen sich die Narren in Stimmung - bei hochsommerlichen Temperaturen und heißen Samba-Rhythmen. Jedoch kam es auch zu einer Schießerei mit zehn Verletzten.

In der Stadt am Zuckerhut ist der Karneval 2015 auf seinem Siedepunkt. Tausende Tänzerinnen und Tänzer, Trommler und leichtbekleidete Samba-Queens zogen in der Nacht zum Rosenmontag durch Rios legendäres Sambódromo. Den Auftakt für das traditionelle Defilee der besten Sambaschulen machte der Club Unidos de Viradouro, der mit rund 3600 fantasievoll kostümierten Teilnehmern und sieben riesigen Motivwagen über den rund 750 Meter langen Karnevalsboulevard schritt. Die Sambaschule thematisierte die Einflüsse der schwarzen Bevölkerung auf die Kultur, die Musik und die Küche Brasiliens.

Das Spektakel verfolgten auf den Stadionrängen schätzungsweise 80 000 Zuschauer, die sich auch durch heftigen Sommerregen die Karnevalsfreude nicht verderben ließen. Auch der spanische Tennis-Star Rafael Nadal tanzte durch das Sambódromo. Bis zum frühen Morgen des Rosenmontags sollten insgesamt sechs Schulen defilieren. Auch Rios Straßenkarneval ist auf seinem Höhepunkt. An der Copacabana feierten kostümierte Narren bis tief in die Nacht den „Carnaval“. Mehrere Straßen waren in dem Strandviertel gesperrt und vor Bühnen versammelten sich Tausende Menschen, um bei Live-Musik zu tanzen.

Mehrere Schießereien gemeldet

In einem kleinen Küstenort südwestlich von Rio de Janeiro ist der diesjährige Karneval von einer Schießerei mit zehn Verletzten überschattet worden. Wie der brasilianische Radiosender CBN am Sonntag berichtete, zog ein Mann nach einem Streit während der Karnevalsfestivitäten eine Schusswaffe und schoss in die Menge. Auch in der nördlichen Stadt Salvador da Bahia, der drittgrößten des Landes nach São Paulo und Rio de Janeiro, wurde ein Mann nach einer heftigen Auseinandersetzung angeschossen. Der Straßenkarneval in der Hauptstadt des Bundesstaates Bahia gilt als besonders spektakulär.

Die Karnevalssaison in Brasilien ist seit Freitag offiziell eröffnet. An den Straßenparaden in Rio, dem Austragungsort der Olympischen Spiele 2016, nahmen am Samstag bei drückender Hitze mehr als eine Million Menschen teil - weniger als üblich, wie die Zeitung "O Globo" am Sonntag vermerkte. Tänzer auf Stelzen, Cowboys mit freiem Oberkörper und Karmeliternonnen in Miniröcken bevölkerten die Straßen. Wie gewohnt gab es aufwändige Kostüme und viel nackte Haut zu sehen und heiße Samba-Rhythmen zu hören.

Die Straßenpartys, sogenannte Blocos, stehen allen offen - anders als die zweitägige farbenprächtige Parade der Sambaschulen, zu der am Sonntag und Montag nächtens 70.000 Zuschauer allein im Sambodrom erwartet wurden. Die Tradition des weltberühmten Karnevals in Rio geht bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück.

Schon lange Hosen sind zu warm

Seitdem in Rio „König Momo“ das Zepter und die Stadtschlüssel in die Hand nahm, toben die närrischen Truppen von früh bis spät zum Sambatakt durch die Millionenstadt. Wer noch nicht verkleidet ist, kann Accessoires, wie Kapitänsmützen, Piratenhüte, Maikäferkostüme und Girlanden gleich auf der Straße bei fliegenden Händlern für kleines Geld kaufen. Die meisten kommen in Badehose, Bikini und Flip-Flops. Schon lange Hosen sind zu warm. Eigentlich läuft das närrische Treiben schon seit Wochen. „Ich finde den Vorkarneval am schönsten“, sagt die 22-jährige Cecília, eine von der vielen lizenzierten Bierverkäuferinnen. Die Halb-Liter-Dose aus der eisgefüllten Styropor-Box verkauft sie für 5 Reais (1,60 Euro).

„Estupidamente gelada“ muss das Bier sein, „blödsinnig kalt“, das heißt also sehr kalt, denn bei den „Blocos“ und bei über 30 Grad auch mitten in der Nacht tut Abkühlung not. „Blocos“ sind kleine und große Stadtviertelumzüge, die tagsüber und nachts durch Rio toben. Am Praça Tiradentes im Zentrum, wo auch Cecília ihr Bier verkauft, schwofen einige Hundert Menschen zur Samba-Musik beim „Bloco das Carmelitas“. In pittoresken Stadtviertel Santa Teresa lockt der „Bloco Aconteceu“ (Es ist passiert) vor die kleine aber bekannte Bar do Gomes, und auch in Rios mondänen Strandvierteln Ipanema, Leblon und Copacabana strömen seit Wochen Abertausende Menschen zu den Blocos.

Karneval ist auch immer ein großes Geschäft. Die Hotellerie rechnet mit einer Auslastung von über 90 Prozent. Die Zimmerpreise sind gepfeffert: Viele Hotels und Pensionen verlangen während der Karnevalstage das Zweieinhalb- bis Dreifache der normalen Preise.

Den Sambatänzen gehen monatelange Proben voraus

Höhepunkt des Rio-Karnevals ist das Defilee der Top-Sambaschulen, die in zwei Etappen durch das 1984 nach Plänen von Oscar Niemeyer (1907-2012) erbaute Tribünenstadion Sambódromo ziehen. Jede der zwölf Schulen hat zwischen 65 und 82 Minuten Zeit, ihr Thema auf der rund 750 Meter langen Strecke vor etwa 80 000 Zuschauern möglichst überzeugend zu präsentieren. Monatelang proben Tänzer und Trommler für die Auftritte in beiden Nächten zum Rosenmontag und zum Karnevalsdienstag.

Jede Schule zieht mit etwa 5000 fantasievoll kostümierten Teilnehmern, eigens komponierten Samba-Songs und riesigen Motiv- Wagen an Zuschauern und Juroren vorbei. Hingucker sind stets die Samba-Queens, die nur leicht bekleidet oder gar barbusig über den Karneval-Boulevard tanzen. Vorjahressieger „Unidos da Tijuca“ wählte sich für 2015 die Schweiz als Motto für ihren Auftritt, der von Edelweiß-Tänzern, Bernhardinern und Schweizer Uhren geziert wird. Die Sambaschule Imperatriz Leopoldinense erinnert mit ihrem Defilee an Südafrikas Ex-Präsidenten Nelson Mandela.

Zweifelsfrei ist Rio das Zentrum des Karnevals in Brasilien, doch erfassen die närrischen Erschütterungen das ganze Land. Als wichtige Hochburgen gelten Salvador da Bahia und auch Recife im Nordosten des Landes. Dort zog der traditionelle Umzug „Galo de Madrugada“ (Hahn der Morgendämmerung) am Samstag wieder weit über eine Million Narren und Feierwütige an, die ein rund zehnstündiges Musikprogramm geboten bekamen. „Der größte Karnevalsblock der Welt“, sind sich die Veranstalter sicher.

Die heiß ersehnte fünfte Jahreszeit wollen die Brasilianer so lange wie möglich ausdehnen. Mag der Karneval andernorts am Aschermittwoch vorbei sein, in Rio wird auch nach dem Auftakt der Fastenzeit munter weiter gefeiert. Selbst am Wochenende danach dröhnen noch „Blocos“ durch die Straßen und tanzen Sambaschulen durchs Sambódromo. (AFP, dpa)

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