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Panorama: Scala der Pracht

Nach der Renovierung wird Mailands Opernhaus wiedereröffnet – es ist schöner denn je

Mit Verdis „Otello“ wurde sie vor drei Jahren feierlich geschlossen, danach hat man sie bis auf die Grundmauern ausgeweidet, zu zwei Dritteln abgerissen und neu gebaut; es wurde saniert und restauriert – und jetzt, am 7. Dezember, dem Fest des Stadtpatrons Sankt Ambrosius, sind Mailand und der Rest der Opernwelt eingeladen, „ihre“ Scala wiederzuentdecken. Voller Programmatik, voll historischer Bezüge und aktuell-politischer Anspielungen gibt man „Die wiedererkannte Europa“ von Antonio Salieri. Diese Oper war eigens zur Eröffnung der Scala im August 1778 komponiert worden – als Mailand noch bei Österreich war –, seither hat sie keiner mehr gespielt. Nun feiern Dirigent Riccardo Muti und sein Orchester mit ihr gemeinsam die „Rückkehr nach Hause“.

Für manche in Mailand ist freilich die gute, alte Scala in den Baumaßnahmen der vergangenen drei Jahre untergegangen. Wieder tobt der Dauerstreit: Wie es der Tessiner Architekt Mario Botta nur wagen konnte, hinter die bescheidene neoklassizistische Fassade einen kantigen Würfel als Bühnenturm zu klotzen, 38 Meter hoch, und gleich daneben, „noch schlimmer“, ein elliptisches Büro-, Garderoben- und Logistik-Silo. Von „Verschandelung der Scala“ und „Demontage des Stadtbilds“ ist die Rede.

Botta nimmt’s gelassen. Immerhin habe er mit Marmor gebaut, „nicht mit Stahl und Glas“. Pseudohistorisches, sagt er, wäre ihm ein Gräuel gewesen. Botta strebte nach einem „authentischen Ausdruck unserer Zeit“. Früher sei die Szene mit Kerzen und Öllampen ausgeleuchtet worden, seither habe sich die Bühnentechnik gewaltig geändert. „Und ich habe gebaut, was zu ihrem Funktionieren notwendig ist“, verteidigt sich der Architekt.

Die alte Scala: Marode war da nicht nur die Bühnentechnik, in den Wänden hatte sich Schimmel breit gemacht, Brandschutz und Evakuierungsmöglichkeiten für den Notfall fehlten; der ohnedies auf 80 bis 90 Vorstellungen pro Jahr beschränkte Spielbetrieb war nur noch mit Ausnahmegenehmigungen möglich.

Dann rückten im Juli 2001 die Bagger an und die Restaurateure. Denn Mailands Stadtverwaltung hat genau darauf geachtet, das traditionsverwöhnte Stammpublikum in den ererbten Logen nicht zu verprellen. Deshalb ist der Zuschauerraum mit seinen sechs hufeisenförmig angeordneten Rängen und seinen 2030 Sitzplätzen der alte geblieben. Er sieht fast so aus wie vorher. Oder besser: so schön und original, wie ihn von den lebenden Mailändern bisher kaum jemand hat sehen können. Denn die „echte“ Scala ist in der Bombennacht vom 15. August 1943 untergegangen. Weil das Opernhaus aber als stärkstes Symbol Mailänder Identität galt, wurde es gleich nach Kriegsende wieder aufgebaut. In der Eile und aus Kostengründen hatte man das Bombenloch freilich nur mit den Trümmern zugeschüttet, darüber einen dünnen Metall- und Betonboden gebreitet und das Provisorium unter einem Teppichboden – immerhin in „Scala-Rot“ – verschwinden lassen.

Der Schaden für die Akustik war beträchtlich; der Boden „fraß die Noten“, wie man in Mailand erzählt. Umso lieber hat sich die Stadt nun – neben der weltweit angeblich modernsten Bühnentechnik – das Beste und Teuerste geleistet, was akustische Wissenschaft und Theatererfahrung zu bieten haben. Statt des verklebten Teppichs bildet nun massive Eiche den Boden. Maestro Muti jedenfalls ist euphorisch: „Fantastisch, exzellent“ seien die Bedingungen. Die Leute seines Orchesters sollen nach der ersten Tonprobe Tränen der Rührung in den Augen gehabt haben.

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