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Schanghai: Mit dem Schlafanzug auf die Straße?

Den mehr auf Etikette bedachten Bewohnern von Schanghai bereitet eine Angewohnheit mancher Mitbürger schlaflose Nächte: In einer Umfrage gestand ein Viertel der Befragten, in der Öffentlichkeit gelegentlich einen Schlafanzug zu tragen.

Schanghai - Als unzivilisiert kritisieren nun modebewusste Sittenwächter der chinesischen Metropole die Marotte vieler Schanghaier. Einer Studie der Akademie für Sozialwissenschaften zufolge finden viele Bürger der Stadt die Angewohnheit genauso ärgerlich wie den Hundekot auf den Straßen. Wer im Pyjama herumlaufe, entblöße damit seinen schlechten Geschmack und seine geringen persönlichen Qualitäten, sagte der Soziologe Hu Shoujun von der Fudan-Universität.

Ob auf dem Fahrrad, im Teehaus oder auf dem Weg zum öffentlichen Badehaus: Schlafanzugträger mischen sich in der 17-Millionenstadt unter in schicke Miniröcke gekleidete Frauen oder Männer im smarten Business-Anzug. Die Gewohnheit stammt nach Ansicht der Soziologen aus vergangenen Tagen, als die Menschen in Schanghai noch in beengten Vierteln mit schmalen Gassen lebten und sich die sanitären Anlagen teilen mussten. Mit dem Abreißen der alten Stadtteile sind viele Bewohner in Hochhauswohnungen umgezogen, halten aber an der Gewohnheit fest, im Pyjama auf die Straße zu gehen. Der private und der öffentliche Raum seien aber im modernen Schanghai stärker getrennt, "deshalb sind die Schlafanzüge ein Problem geworden", befand der Soziologe Yang Xiong.

Chinesische Modemacher überlegen nun, ob sie aus der Not eine Tugend machen und dem Schlafanzug einen eigenen Platz im Mode-Olymp einräumen sollen. Der Schnitt des Kleidungsstücks ähnele immerhin den langen Hemden und weiten Hosen, die im alten China getragen wurden. Der Pyjama könne als Symbol für das Streben nach "Bequemlichkeit, Freiheit und Entspannung" ein neuer Trend werden, sagte Chen Hong von der Modezeitschrift "Elle". "Es fragt sich nur, wie man Schlafanzüge auf modische Weise trägt." (tso/AFP)

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