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Panorama: "Schickt mich bloß nicht in den Tunnel!"

PARIS (AP).Es schien ein ganz harmloser Unfall zu sein.

PARIS (AP).Es schien ein ganz harmloser Unfall zu sein.Ein belgischer Lastwagen - beladen mit Mehl und Margarine - ging im Montblanc-Tunnel in Flammen auf.Videokameras informierten die Betreibergesellschaft ATMB binnen weniger Minuten über das Feuer; die Eingreiftruppe rückte aus.Doch in kürzester Zeit breitete sich dichter Rauch und glühende Hitze in dem Tunnel aus.Die Feuerwehr brauchte mehr als 48 Stunden, um bis zur Brandstelle vorzudringen.Die Zahl der Toten hat sich inzwischen auf mindestens 30 erhöht.

"Wir weisen seit langem darauf hin, daß der Tunnel für den zunehmenden Schwerverkehr nicht ausgerüstet ist", sagt der Bürgermeister von Chamonix, Michel Charlet.Im Durchschnitt 2000 Lkw benutzen täglich den 11,6 Kilometer langen Tunnel, der Frankreich und Italien miteinander verbindet.Auch der Chef der Feuerwehr von Chamonix, Christian Comte, fordert seit Jahren bessere Sicherheitsvorkehrungen im Montblanc-Tunnel."Ihr könnt mich zu Lawinenunglücken, Erdbeben oder Verkehrsunfällen schicken, aber bloß nicht in den Tunnel", soll er Zeitungsberichten zufolge einmal gesagt haben.Kritiker bemängeln vor allem, daß die 1965 eröffnete Unterführung nicht über Fluchttunnel verfügt und es außerdem keine gesonderten Zugänge für Feuerwehr und Rettungspersonal gibt - wie zum Beispiel im Eurotunnel.

Dagegen erinnert die Betreibergesellschaft daran, daß in den vergangenen zehn Jahren Nachbesserungen eingebaut worden seien.Seit 1991 gibt es im Abstand von 600 Metern Schutzräume, in denen rund 40 Menschen Platz haben.Im Tunnel selbst sorgt ein Ventilationssystem dafür, daß alle 15 Minuten die Luft ausgetauscht wird.In Notbuchten können Autofahrer wenden oder ihr Fahrzeug im Falle einer Panne abstellen.Diese Buchten sind mit Notrufsäulen und Feuerlöschern ausgerüstet.

Das sei nicht genug, argumentieren Kritiker.Die Türen der Schutzräume halten ihnen zufolge glühender Hitze nur zwei Stunden lang stand - nach dem Unfall am Mittwoch vormittag brauchten Helfer aber zwei Tage, um bis zum Unglücksort vorzudringen.Dort herrschten zeitweise Temperaturen von über 100 Grad; daran änderten auch Sprinkleranlagen kaum etwas.Feuerwehrleute, die sich in die Schutzräume flüchteten, hatten keine Überlebenschancen.Als unzureichend erwies sich nach dem Unfall auch das Entlüftungssystem.Den zwei 7000-Kilowatt-Anlagen - eine auf französischer, eine auf italienischer Seite - gelang es nicht, den dichten Rauch schnell genug nach außen zu blasen.Der Sauerstoffmangel war zeitweise so groß, daß die Motoren der Feuerwehrfahrzeuge versagten.

Wie es zu der Katastrophe kommen konnte, war am Freitag mittag noch unklar.Spekulationen, wonach das Feuer giftige Dämpfe freisetzte, wurden zunächst nicht bestätigt.Einer der Lastwagen, der in Brand geriet, enthielt angeblich Chemikalien - französischen Presseberichten zufolge Chlor.

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