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Unbeirrt. Während die Costa Concordia auf dem Felsen liegt, fährt ihr Schwesterschiff Costa Serena hell erleuchtet vorbei. Das Schiff fährt dieselbe Route wie die Costa Concordia und bietet das gleiche Programm.

© REUTERS

Schiffsunglück in Italien: Wusste die Reederei von dem gefährlichen Kurs der "Concordia"?

Bisher galt das Versagen des Kapitäns als Hauptursache für das tödliche Unglück vor der italienischen Küste. Jetzt gerät die Reederei ins Zentrum der Aufmerksamkeit – sie war offenbar stolz auf die riskanten Annäherungen an die Küsten.

Während sich die Nation auf den Kapitän Francesco Schettino als großen Schurken der Tragödie um die Concordia verständigt hat, stehen andere wichtige Beteiligte nach wie vor am Rande: In der Stunde nach dem Unglück soll Schettino, statt die Evakuierung des Schiffes einzuleiten, fast ausschließlich mit seinen Vorgesetzten in der Reederei Costa Crociere telefoniert haben. Was während der mindestens drei Telefonate besprochen wurde, ist bisher weitgehend unbekannt. Schettino selbst hat am Freitag mitgeteilt, „Costa Crociere“ sei umfassend informiert gewesen. Hat man ihm dort vielleicht auch geraten, die Sache erst einmal herunterzuspielen?

Dafür spräche, dass sich die Reederei zunächst uneingeschränkt hinter ihn stellte, ihm vollkommen regelkonformes Verhalten bescheinigte und erst von ihm abrückte, als das Ausmaß seines Versagens nicht mehr zu verbergen war. Die römische Tageszeitung „Repubblica“ zitierte „verschiedene qualifizierte Quellen“, dass es „eine ungeschriebene Regel“ gebe: „Wenn man in Schwierigkeiten ist, nie im Hafen um Hilfe bitten, so lange die Situation nicht völlig eskaliert. Und wenn es nötig wird, ist der Alarm zu begrenzen.“ Das tat Schettino denn auch: Auf mehrfache eindringliche Nachfragen des Hafenamts in Livorno, was los sei auf der Concordia, kam nur die Auskunft, man brauche höchstens einen Schlepper.

Auch die „Verbeugungen“, des Kapitäns vor den Küsten, die der Kreuzfahrtriese passierte, waren anscheinend kein privater Tick Schettinos, sondern womöglich ebenfalls Teil eines ungeschriebenen Arbeitsvertrags: Die Reederei stellte einen hymnischen Bericht über einen „Gruß“ der Concordia an die Insel Procida im Golf von Neapel im August 2010 auf ihre Webseite. Auch damals soll sich Schettino der Insel viel gefährlicher genähert haben als der offizielle Kurs vorsah. Ein Gag, der offenbar von den Passagieren wie von den Hobbyfotografen an der Küste geschätzt wird, wie inzwischen Augenzeugenberichte belegen. Mehr als 50 dieser „inchini“ (Verbeugungen) pro Jahr hat das internationale Funküberwachungssystem AIS nach italienischen Medienberichten allein für die „Concordia“ belegt – kaum anzunehmen, dass die Reederei davon nicht wusste.

Dass die Interesse am Schweigen Schettinos haben könnte, ist indirekt der Stellungnahme der Untersuchungsrichterin zu entnehmen, die den Kapitän schon am Wochenende zum Ärger des Staatsanwalts in den Hausarrest entließ. Da Schettino eine feste Anstellung habe, schreibt Richterin Valeria Montesarchio, sei die Fluchtgefahr gering: „Schettino geht seiner Arbeit als Schiffskommandant nach und es gibt keinen Hinweis darauf, dass er in unmittelbarer Zukunft daran gehindert sein wird.“ Die „Costa Crociere“ wollte ihren Kapitän also nicht entlassen – die Begründung der Richterin stammt vom Dienstag, am Donnerstag wurde erstmals breit aus dem Text zitiert. Ist Schettino womöglich eine Gefahr für „Costa Crociere“?, fragte die Presse.

Die Reaktion kam prompt: Am Donnerstag hat ihn die Reederei suspendiert und sich selbst als Geschädigte vor Gericht registrieren lassen. Auch Rechtshilfe habe Schettino von ihr nicht zu erwarten, hieß es.

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