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Panorama: Schlangestehen gegen den Tod

ISTANBUL .Beim Wettlauf gegen den Tod standen Tausende Schlange.

ISTANBUL .Beim Wettlauf gegen den Tod standen Tausende Schlange.Als vergangene Woche in einer Istanbuler Sporthalle Blutproben gesammelt wurden, um einen 35jährigen leukämiekranken Arzt zu retten, mußten die Spender wegen des Massenandrangs stundenlang warten.Rund 8400 Proben wurden den hilfsbereiten Menschen an einem einzigen Tag abgenommen - gesucht wird ein geeigneter Knochenmarkspender für den Gehirnchirurgen Dr.Oktar Babuna, der nur noch wenige Tage zu leben hat.Auch bei Türken in der Bundesrepublik, vor allem in Berlin, wurde Blut gesammelt.Der Fall Babuna hat die türkische Öffentlichkeit aufgerüttelt.Ein Hoffnungsschimmer besteht seit Dienstag: Die türkischen Medien berichteten, vielleicht sei der Knochenmarkspender jetzt gefunden worden.Ob er auch wirklich der Geeignete ist, müssen weitere Tests zeigen.

Die Zeitungen berichten in großer Aufmachung über das Schicksal des gutaussehenden Mediziners, Staatspräsident Süleyman Demirel persönlich sprach dem Vater Babunas bei einem Gespräch in Ankara im Namen der Nation Mut zu, und Ministerpräsident Bülent Ecevit pries die Hilfsbereitschaft als Beweis für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Türken.Andere Politiker setzen alles daran, um bei der Abgabe einer Blutprobe fotografiert zu werden: Es ist schließlich Wahlkampf.

Doch es ist ein riskantes Geschäft für Prominente, sich als Wohltäter feiern zu lassen, wenn das groß angekündigte Engagement als hohles Versprechen entlarvt wird.Berna Yilmaz, die Ehefrau des konservativen Ex-Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz, die in der Öffentlichkeit bisher einen ausgezeichneten Ruf genoß, hatte den Organisatoren der Babuna-Aktion ursprünglich finanzielle Hilfe aus Mitteln der Mutterlandspartei ihres Mannes versprochen, zog dieses Angebot dann aber kurzerhand wieder zurück: Materiell könne sie leider nicht helfen, dafür sei sie "im Geiste" an der Seite der Betroffenen.Kollegen Babunas klagten deshalb, hier werde das Leiden eines todkranken Menschen für Wahlkampfzwecke ausgenutzt.

Das Geld für die Blutprobenaktion und die Auswertung der Proben im Labor soll nun über Spenden beschafft werden.Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Die Gesamtkosten für die Aktion dürften sich auf mindestens 900 000 Mark belaufen.Umgerechnet mehr als eine Million Mark wurden nach Presseberichten bereits gesammelt - in einem Land mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von 5000 Mark im Jahr eine stolze Summe.

Die Analyse der Blutproben hat die deutsche Stefan-Morsch-Stfitung übernommen.Die Stiftung hat in der Bundesrepublik inzwischen eine umfangreiche Datei von Knochenmarkspendern aufgebaut und verfügt daher nicht nur über das nötige Know-How für eine Hilfsaktion wie im Fall Babuna, sondern auch über den dazugehörigen Ruf.Oktar Babuna selbst unterzieht sich zur Zeit in Houston im US-Bundesstaat Texas einer Chemotherapie.

In Houston soll auch die Knochenmarksverpflanzung stattfinden, wenn rechtzeitig ein geeigneter Spender gefunden werden kann.Vielleicht reicht die öffentliche Anteilnahme in der Türkei sogar noch für andere Leukämie-Patienten im Land.Bisher fanden sich schon drei potentielle Knochenmarkspender für andere Blutkrebs-Patienten.Denn in der Türkei gibt es noch andere Babunas, auch wenn sie nicht in die Schlagzeilen kommen.Eine Zeitung machte ihre Leser auf das Schicksal von Erkan Coban aufmerksam: Auch Coban ist Arzt wie Babuna, auch er ist jung - und auch er hat Leukämie und wartet auf einen Knochenmarkspender.

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