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Schleswig-Holstein: Hells Angels gegen Neonazis

Eine Fehde mit Schüssen und Messerstechereien zwischen Rockern und Neonazis hat einen vorläufigen Höhepunkt gefunden: Ein Mann, der dem rechtsradikalen Spektrum zugerechnet wird, wurde gezielt niedergeschossen. Eigentlich war er als Zeuge vor Gericht geladen.

Seit mindestens 2007 liefern sie sich einen bewaffneten Kleinkrieg, und er wird offenbar immer blutiger: Mitglieder der Motorradgang Hells Angels und militante Neonazis tragen in Schleswig-Holstein eine Fehde aus. Schüsse auf einem Parkplatz eines Spaßbades am vergangenen Donnerstagabend in Kaltenkirchen (Kreis Segeberg), bei dem ein Mann gezielt von zwei unbekannten, maskierten Männern niedergestreckt wurde, stellen einen vorübergehenden Höhepunkt der gewalttätigen Auseinandersetzungen dar, auch wenn das ermittelnde Landeskriminalamt zu Opfer und vermeintlichen Täterkreisen keine näheren Angaben machen möchte.

Der durch Schüsse in Bein, Bauch und Becken schwer verletzte Mann, der dem rechtsradikalen Spektrum zugerechnet wird, war eigentlich am heutigen Montag als Zeuge vor dem Kieler Landgericht geladen. Dort startet ein Prozess gegen den früheren NPD-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein, Peter Borchert, wegen gefährlicher Körperverletzung. Der 35-Jährige soll am 29. August des Vorjahres im Verlauf einer Massenschlägerei vor dem Kieler Gerichtsgebäude mit einem Messer auf ein führendes Hells Angel-Mitglied eingestochen haben, der nur durch eine Notoperation überlebte. Nach Angaben des Borchert verteidigenden Anwalts Christian Bangert, der selbst in der NPD aktiv ist, handelt es sich bei dem jüngsten Opfer um den Bruder eines mutmaßlichen Neonazis, der bereits im März 2007 ein Mitglied der Rockergruppe in einer Kieler Diskothek durch einen Messerstich in die Leber lebensgefährlich verletzt hatte. Dort soll es dem Vernehmen nach zuvor um Streitigkeiten über zu begleichende Schulden gegangen sein. Dieser Vorfall sollte dann am 29. August 2008 zur Verhandlung kommen, was beide verfeindete Lager aber verhinderten, als sie mit mehreren Dutzend Personen gegenseitig aufeinander losgingen.

Die Polizei hat deshalb für den heutigen Prozess die höchste Sicherheitsstufe angeordnet. Verhandelt wird in einem Saal, in dem das Publikum hinter einer Trennscheibe den Prozess verfolgen muss. Die Hells Angels im hohen Norden weisen regionale Unterorganisationen, sogenannte Charter, in Flensburg, Kiel und Alveslohe nahe Kaltenkirchen auf. Sie sind in Aktivitäten von Tätowierstudios, Gastronomie, Türsteher-Dienstleistungen, Kampfsport und Online-Versänden verwickelt. Die Polizei weiß auch um Verbindungen ins Rotlichtmilieu. Es gibt zudem Hinweise auf unerlaubten Anabolikahandel. Zum Teil existieren in den genannten Geschäftsfeldern Überschneidungen mit Rechtsextremen.

Deren treibende Kraft in Kiel war Borchert, der zwar nicht mehr NPD-Mitglied ist, aber dennoch bei zahlreichen Demonstrationen von Rechtsextremisten mitmarschierte und dabei sogar selbst das Wort ergriff. Zuletzt war er bis zum Oktober 2007 wegen Waffenhandels inhaftiert. Insgesamt saß er schon etwa zehn Jahre lang im Gefängnis.

Dieter Hanisch[Kiel]

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