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Zeitreise im Schlossgarten. Manchmal trifft man auf Barockvereine, die zu Veranstaltungen auftreten. Man kann aber auch historische Themenführungen buchen, etwa aus der Perspektive des Adels oder des Personals.

© Rolf Brockschmidt

Schlossgarten Schwetzingen: Im Reifrock Richtung Orient

Der Garten des Schwetzinger Schlosses hält hinter jeder Hecke Überraschungen bereit – und wäre fast Weltkulturerbe geworden.

Die Damen schreiten mit leicht wippenden Reifröcken einher, fächern sich wegen der Hitze heftig Luft zu, und auch die Herren unter ihren Perücken bewegen sich nur gemessenen Schrittes mit ihren höfischen Kniebundhosen und hellen Strümpfen. Im Hof hinter dem Portal des Schwetzinger Schlosses empfängt man Besuch. Nicht etwa noble Freunde des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz, sondern Vertreter und Gäste einer Bank, die sich die Kulisse des prächtigen Schwetzinger Schlosses etwas kosten lässt – und damit Gutes für die wunderbaren Anlagen dieses einmaligen Gartens tut.

Spätestens mit dem Eintreffen der Gäste und angesichts der Touristen, die jetzt doch ihre Kameras zücken, ist die Illusion der Zeitreise ins spätbarocke Schwetzingen zerstört. Und dennoch: Wer die relativ enge Tordurchfahrt des mächtigen Baus durchschreitet, findet sich in einer anderen Welt wieder. Der Blick weitet sich auf eine beeindruckende Szenerie: Eine breite Lindenallee führt zu dem riesigen runden Arionbrunnen mit Fontäne. Der Weg wird gesäumt von Parterren à l’angloise; das sind buchsbaumgefasste Rasenstücke mit farbenfrohen Blumenrabatten an den Rändern.

Der Rasen hat englische Qualität. In der Mitte der Parterren stehen wiederum ovale Brunnen. Der große Arionbrunnen auf der zentralen Achse akzentuiert das runde Parterre – eine Ausnahme in Europa – und wird gefasst von vier Broderiebeeten, die mit Ornamenten und Steinchen das runde Parterre betonen. Hier kreuzt eine weitere breit angelegte Allee mit gestutzten Bäumen und Obelisken den Weg. Den Abschluss bilden kunstvolle Arkaden: grüne hohe Bögen wie bei einem Aquädukt. Doch bei näherer Betrachtung sind auch dies Linden, die mit hohem Aufwand in Bogenform gebracht wurden.

Gesamtkunstwerk mit überraschenden Perspektiven

Der Blick von der leicht erhöhten Schlossterrasse verliert sich ins Weite, die Dimensionen sind gewaltig. Die Hauptfontäne des Arionbrunnens spritzt 15 Meter hoch, die vier Puttenfontänen am Rande bringen es vielleicht auf zehn Meter – der Sprühnebel bietet Besuchern im Sommer bei leichter Brise eine willkommene Erfrischung. Die Linden der Allee wurden auf eine konische Form zurückgestutzt, so wirken die Bäume jünger und heben sich von dem anschließenden alten Baumbestand im Park ab.

Mit diesem breiten Entree ist der Ton gesetzt – eine Gartenanlage dieses Ausmaßes in der kleinen Residenzstadt Schwetzingen weckt Erstaunen – und so sollte es sein. Kurfürst Carl Theodor (1724–1799) ließ bei seinem Amtsantritt 1742 das Schloss seines Vaters erweitern und konzentrierte sich dabei vor allem auf die Gestaltung des Gartens. Kurfürst Carl Philipp (1661–1742) hatte 1720 die kurpfälzische Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegt und das benachbarte Schwetzingen zu seiner Sommerresidenz ausgebaut.

Carl Theodor tat mit der Bestellung des Hofgärtners Johann Ludwig Petri (1714–1794) einen entscheidenden Schritt zur heutigen Ausgestaltung des barocken Teils des Gartens. Erst als Petri, der nach wie vor in Saarbrücken am Hof aktiv war, 1758 auf eigenen Wunsch aus kurpfälzischen Diensten ausschied und 1762 der Architekt Nicolas de Pigage (1723–1796) aus Lothringen die Bauleitung übernahm, wurde der Park zu dem Gesamtkunstwerk, das man heute erleben kann: eine gelungene Symbiose aus barockem Zier- und englischem Landschaftsgarten zusammen in einer Anlage – eine Seltenheit in Europa.

Versöhnung der Kulturen

Schlendert man weiter, säumen zwei Angloisen mit ihren hohen Hecken die große Achse durch den Garten. Links und rechts spaziert der Besucher durch zwei Boskette, deren Heckengarten von einem geometrischen Wegenetz durchzogen wird. Ein Gang durch die Boskette ist immer für eine Überraschung gut: Die hohen Hecken nehmen die Sicht – und plötzlich steht man vor einem merkwürdigen Gebäude in zartem Rosa. Der zentrale Kuppelbau erinnert an eine Kirche, die beiden Minarette sind mit je einem Halbmond auf der Spitze eindeutig gekennzeichnet. Der Zentralbau spielt mit christlichen und islamischen Architekturzitaten. Der Bau mit den Minaretten steht hinter einem breiten rechteckig angelegten Wandelgang, der sich um eine gepflegte Grünfläche anordnet.

Die Gitter des Wandelgangs spenden Schatten und die acht Pavillons bieten reizvolle Durchblicke. Hin und wieder begegnet einem eine Dame in rauschender Robe, ganz klar 21. Jahrhundert, oft türkischer Herkunft. Die einzig verbliebene Gartenmoschee Europas ist eine beliebte Location für Hochzeits-Fotoshootings.

Die einzige Gartenmoschee Europas

De Pigage hatte diesen Türkischen Garten mit Moschee Ende des 18. Jahrhunderts geplant. Es ist kein Gotteshaus im klassischen Sinn, sondern eine Kulisse mit durchaus verständnisfördernder pädagogischer Absicht. Die Pavillons und der Zentralbau sind mit Sinnsprüchen in arabischer Schrift und deutscher Übersetzung ausgestattet, Sätze, die jeder, gleich welcher Religion, unterschreiben kann: „Es gibt keine Gottheit außer Gott“ oder „Lobpreise Gott und bitte ihn um Vergebung. Er ist gnädig.“ Auch das Innere des Kuppelbaus ist prächtig geschmückt und mit Versen verziert. Ein verzauberter Ort, der einen an Lessing und „Nathan den Weisen“ erinnert, ein Ort, an dem Einflüsse der Kulturen verschmelzen.

Verlässt man die Moschee durch den Hinterausgang, fällt der Blick auf einen malerischen Teich und einen Tempel auf einem Hügel, eine künstliche Ruine. Auf dem Weg zum Merkurtempel auf geschwungenen Wegen am Wasser entlang verlässt man den barocken Garten und begibt sich in den englischen Landschaftsgarten, der die barocke Anlage umschließt und ständig für neue Impressionen sorgt. Hier kann man sich wahrhaftig frei nach Lord Burlington auf eine kleine „Grand Tour“ durch die Gartenwelt begeben.

Der Park ist so reich an architektonischen Schätzen und Skulpturen, dass man gar nicht alle erwähnen kann. Zwischen nördlichem Boskett und Orangeriegarten verdient ein Privatgarten des Kurfürsten Beachtung, der auf engstem Raum überraschende Perspektiven gewährt. Vom Orangeriegarten blickt man auf den Apollotempel mit einer Kaskade hinunter zu einem von Sphinxen bewachten Naturtheater. Durch eine künstliche Grotte steigt man zu Apollo hinauf und geht durchs Gebüsch zu einem versteckten Badehaus mit prächtigem Vor- und Arbeitszimmer, in das sich der Kurfürst zurückzog.

So zeigt sich die Moschee vom Merkurtempel aus. Die beiden Minarette werden auch als Symbole der Freimaurer gedeutet, ebenso die Sterne an der Fassade.
So zeigt sich die Moschee vom Merkurtempel aus. Die beiden Minarette werden auch als Symbole der Freimaurer gedeutet, ebenso die Sterne an der Fassade.

© Rolf Brockschmidt

Ganz in der Nähe befindet sich die Brunnenanlage der wasserspeienden Vögel, frei nach einer Fabel von Äsop. Im Brunnen sitzt der Uhu, der einen Vogel geschlagen hat. Die anderen Vögel vom Rand eines Laubengangs bespritzen ihn empört mit Wasser. Echte Tiere in Volieren erhöhen mit ihrem Gezwitscher die Illusion. Durch einen weiteren Laubengang erkennt man am Ende täuschend echt den Zusammenfluss von Rhein und Neckar, „das Ende der Welt“.

Endlos scheint ein Tag im Schlossgarten von Schwetzingen. Es gibt in der gepflegten Anlage viel zu entdecken, darunter immer wieder Bauten wie den Tempel der Botanik und das Römische Wasserkastell mit Aquädukt – faszinierende Architekturkulissen an Wasserläufen, die sich zum Teil schnurgerade durch den Garten ziehen. Zwei Kanäle treffen sich am Tempel der Botanik und bilden einen Zirkel, dessen einer Schenkel wiederum zu einem Dreieck führt – Hinweise auf Freimaurersymbolik, die sich auch an der Moschee finden. Bildung, Aufklärung, Entdeckung, Erholung: Der Park hat viel zu bieten – auch angenehmen Schatten an heißen Tagen.

Schwetzingen hat durchaus Weltkulturerbeformat, allerdings hat man im zweiten Durchgang einen Rückzieher gemacht. Es gibt schon so viele Gärten in Deutschland und Europa. Aber die Qualitäten hat der Schlossgarten, so oder so.

Mehr im Internet: www.schloss-schwetzingen.de/garten

Öffnungszeiten und Preise

ÖFFNUNGSZEITEN

Garten Sommerzeit
Montag bis Sonntag: 9 bis 20 Uhr

letzter Einlass: 19.30 Uhr

Garten Winterzeit
Montag bis Sonntag: 9 bis 17 Uhr

letzter Einlass: 16.30 Uhr

Schlossbesichtigung nur mit Führung

EINTRITT SCHLOSS & GARTEN

Sommerzeit
Erwachsene 9 Euro, erm. 4,50 Euro,

Familien 22,50 Euro, Gruppen ab

20 Personen 8,10 Euro/Person

Winterzeit
Erwachsene 7 Euro, erm. 3,50 Euro,

Familien 17,50 Euro, Gruppen ab

20 Personen 6,30 Euro/Person

Sonderführungen

(in der Regel) Erwachsene 10 Euro, erm. 5 Euro, Familien 25 Euro, Gruppen ab 20 Personen 9 Euro/Person

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