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Panorama: Schnaps-Idee

Warum die türkische Regierung Raki zum Nationalgetränk ausrufen möchte

Kemal Unakitan ist eigentlich ein Freund hoher Alkoholsteuern, schon von Amts wegen, aber auch aus religiösen Gründen. „Wir können unseren Leuten das Trinken ja kaum verbieten“, sagte der türkische Finanzminister vor zwei Jahren. „Also erhöhen wir die Steuern.“ Das hat Unakitan dann auch getan, und zwar kräftig. Der Finanzminister, wie die meisten Minister im Kabinett von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ein frommer Muslim, sicherte dem Staat mit Hilfe horrender Alkoholsteuern Mehreinnahmen von mehr als fünf Milliarden Euro im Jahr. Doch jetzt stemmt sich Unakitan plötzlich mit allen Tricks gegen höhere Preise für den Nationalschnaps Raki.

Der Raki, von dem sich die Türken jedes Jahr knapp 50 Millionen Liter durch die Kehlen rinnen lassen, genießt bisher einen steuerlichen Sonderstatus. Im Zuge der Beitrittsverhandlungen verlangt die EU nun aber, die Türkei müsse ihre Alkoholbesteuerung ändern. Das bedeutet, dass die Steuern mit dem Alkoholgehalt eines Getränks steigen, unabhängig davon, ob es sich um einen Importschnaps oder um ein inländisches Gebräu handelt. Hier liegt das Problem für die Türken – denn der Raki mit seinen stolzen 45 bis 47 Prozent Alkohol würde schlagartig sehr viel teurer.

Bisher werden in der Türkei pro Liter Importgetränk mit mehr als 45 Prozent Alkohol knapp 40 Euro Steuer fällig. Die Steuern auf Raki sind nach europäischen Maßstäben zwar auch heftig, liegen mit 20 Euro pro Liter aber nur auf der Hälfte. Würde die Türkei nun die EU-Regeln übernehmen, würde Raki aufgrund seines hohen Alkoholgehalts viel teurer. Die Regierung müsste mit einem Aufstand von Millionen Raki-Liebhabern im Land rechnen, und das in einem Wahljahr – deshalb legt sich sogar die islamische Regierung Erdogan für den Alkohol ins Zeug.

Rettung verheißt eine Idee des langjährigen türkischen Erzfeindes Griechenland. Die Griechen hätten ihren eigenen Anisschnaps, den mit dem Raki eng verwandten Ouzo, zum schützenswerten „Nationalgetränk“ deklarieren lassen und so in der EU niedrigere Steuersätze durchgesetzt, berichtet die Presse. Unakitan will es nun in den Schnapsverhandlungen mit der EU genauso halten. Die Zeitungen jubeln: „Der Raki wird gerettet.“

Unabhängig vom Ausgang der EU-Gespräche steht fest, dass sich die Türken weder von den Steuern noch vom Islam das Trinken vermiesen lassen. Der Markt für alkoholische Getränke in der zu 99 Prozent von Muslimen bevölkerten Türkei hat ein Volumen von rund drei Milliarden Euro, das Angebot ist allein in den letzten zwei Jahren von 900 auf 2500 Produkte gestiegen. Zumindest beim Raki geht diese Entwicklung weiter. Für dieses Jahr haben gleich mehrere Firmen neue Sorten des „Nationalgetränks“ angekündigt.

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