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Schneechaos: Weiter Zehntausende ohne Strom

Trotz einer ersten Entspannung am Montag sind im Münsterland nach dem Schneechaos vom Wochenende noch immer 90.0000 Menschen ohne Strom. Inzwischen gab es auch Kritik am Krisenmanagement.

Münster - Die Lage spitzte sich am Nachmittag nochmals zu, als ein Strommast in der Ortschaft Horstmar einknickte und sich zur Seite gedreht hatte. Knapp 500 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. «Wenn er umstürzt, reißt er mehrere andere mit», schilderte ein Feuerwehrmann die Lage.

Kritik an den massenhaften Stromausfällen in Teilen Nordrhein-Westfalens durch das Schneechaos wiesen Netzbetreiber und Stromwirtschaft am Montag zurück. Ursächlich sei allein die extreme Wettersituation. Politiker verlangten vom Stromversorger RWE Aufklärung. Die Bundesregierung will einen Erfahrungsaustausch organisieren. Mit Investitionen über rund 40 Milliarden Euro soll das deutsche Stromnetz laut Verband der Netzbetreiber (VDN) in den nächsten 15 Jahren modernisiert werden.

Im Kampf gegen den Stromausfall haben Techniker des Netzbetreibers RWE einen Rückschlag erlitten. Am Montagabend waren wieder 90.000 Menschen ohne Strom. Neben den 50.000, die inzwischen seit drei Tagen in Dunkelheit und Kälte ausharren müssen, mussten auch die Stromleitungen für 40.000 Menschen in den Orten Metelen, Borghorst und Steinfurt abgeschaltet werden, teilte RWE mit. Es sei zu befürchten, dass zumindest große Teile von Steinfurt und Borghorst auch über Nacht ohne Strom bleiben werden. Ursache sei starker Regen auf die vereisten Leitungen, die dadurch stark durchhängen und sich gefährlich nahe dem Erdboden nähern, hieß es.

RWE warnte die Bevölkerung erneut davor, sich den herunterhängenden Leitungen zu nähern. Zuvor hatten die Techniker fieberhaft ganze Wohngebiete mit Notstromaggregaten und Ersatzleitungen versorgt. Teilweise brachen diese provisorischen Netze jedoch wieder zusammen.

Unterdessen hat in Politik, Wirtschaft und Kommunen die Aufarbeitung des folgenschwersten Stromausfalles in der deutschen Nachkriegsgeschichte begonnen. «Es ist zu klären, wie es zu einer solchen Lage kommen konnte», sagte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU). RWE lehnte eine Haftung für die Kosten des Debakels ab. Es handele sich um einen Fall von höherer Gewalt. Diese Einschätzung teilten auch NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) und die Westfälische Provinzial, die die Anlagen versichert. Wie hoch die Schäden wirklich sind, sei noch nicht zu beziffern, hieß es beim Stromkonzern RWE.

Der Netzbetreiber bekam Rückendeckung von Experten aus der Wissenschaft. «Für so extreme Wetterbedingungen kann man die Anlagen kaum auslegen», sagte unter anderem Dr. Heiko Neus vom Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen.

Die betroffenen Bürger können nach Ansicht von Versicherern kaum auf die Regulierung ihrer Schäden hoffen. Sturm- und Schneeschäden an Gebäuden würden nur durch eine Elementarversicherung gedeckt, erklärte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Ob verdorbenes Gefriergut erstattet werde, hänge von den jeweiligen Policen ab, sagte ein Sprecher der Westfälischen Provinzial.

Aus dem Kreis der Rettungskräfte wurde erste Kritik am Krisenmanagement laut. «Wir stehen uns hier die Beine in den Bauch», hatten Feuerwehrleute aus dem Hessischen berichtet. Mitgebrachte Notstromaggregate stünden nutzlos herum. Der Sprecher des Krisenstabes bei der Bezirksregierung Münster, Stefan Bergmann, wies die Kritik als unbegründet zurück. Es werde jedoch eine Manöverkritik geben.

Die Behörden in den vom Schneefall der vergangenen Tage besonders stark betroffen Gebiete warnten am Montag vor Dachlawinen in den Städten und vor Schneebruch in den Wäldern. In einigen Kreisen wurde den Eltern auch für Dienstag frei gestellt, ihre Kinder zur Schule zu schicken. In der Regel sollte der Unterricht aber wieder aufgenommen werden.

Der Verkehr auf Straße und Schiene in Nordrhein-Westfalen hatte sich am Montag nach stundenlangen Verspätungen bei der Bahn am Wochenende, kilometerlangen Staus und gesperrten Autobahnen wieder normalisiert. Allerdings gab es vereinzelt noch Straßensperrungen wegen gefährlich tief hängender Stromkabel. (tso/dpa)

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