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Panorama: Schock-Bilder: Tschetschenen-Banden entführen und misshandeln Juden

Das russische Fernsehen zeigte am Freitag schockierende Bilder. Ein Polizeibeamter trägt einen zitternden, völlig abgemagerten Jungen mit schwarzen Locken aus einem Gartenhäuschen.

Das russische Fernsehen zeigte am Freitag schockierende Bilder. Ein Polizeibeamter trägt einen zitternden, völlig abgemagerten Jungen mit schwarzen Locken aus einem Gartenhäuschen. Der 12jährige heißt Adi Scharon. Vor über zehn Monaten wurde er entführt, mitten in Moskau, auf dem Kutusowskij Prospekt, einer Straße, in der viele Ausländer wohnen. Nach monatelanger Geiselhaft in einem mit Müll übersäten Gartenhäuschen, ist der hübsche Junge fast zu einem Skelett abgemagert. Die Füße sind mit Lumpen umwickelt, an den kleinen Fingern hängt ein notdürftiger Verband. Um ihrer Forderung nach Lösegeld Nachdruck zu verleihen, haben die Entführer dem Jungen die kleinen Finger abgeschnitten. Das russische Fernsehen zeigte die Fingerstümpfe in Nahaufnahme. Ethische Vorbehalte werden ignoriert.

Als er den Polizeibeamten sieht, weint Adi. Sein Gesicht ist von Angst gezeichnet, die Augen weit aufgerissen. Der Junge versteht kein Russisch und glaubt einen der Entführer vor sich zu haben. Nur mit Mühe gelingt es dem Polizeibeamten, den Jungen aus dem engen Versteck zu ziehen und nach Draußen zu tragen. Nach der monatelangen Haft kann sich Adi kaum bewegen. Gekrümmt, die Beine angezogen, den Blick starr gen Himmel gerichtet, liegt er auf dem Rasen neben dem Gartenhäuschen. Der Ort der Geiselhaft heißt Pensa und liegt 560 Kilometer südöstlich von Moskau. Erst als der Junge über ein Handy mit seinem Vater telefonieren kann, beruhigt er sich etwas. Josif Scharon, einer der reichsten Männer Israels, wurde im August letzten Jahres zusammen mit seinem Sohn gekidnappt. Wenige Tage nach der Geiselnahme ließen die Entführer den Vater mit der Auflage frei, acht Millionen Dollar Lösegeld zu beschaffen. Nach Angaben der Zeitung "Sewodnja" wandte sich der Vater erst zwei Monate nach der Geiselnahme an die Polizei. Es ist nicht völlig klar, ob Lösegeld bezahlt wurde oder nicht. Nach Mitteilung der russischen Sicherheitskräfte wurden inzwischen zwölf Mitglieder der Entführerbande verhaftet. Sie alle wohnten in dem Ort Pensa. Sechs der Geiselnehmer seien Tschetschenen, der Rest Russen, heißt es. Nach Mitteilung der russischen Sicherheitsbehörden hat sich die Bande auf die Entführung von Juden spezialisiert.

Tatsache ist, dass der Antisemitismus im Nordkaukasus besonders stark ausgeprägt ist. Für das Vorgehen der russischen Armee machen viele Tschetschenen "die Juden im Kreml" verantwortlich. Die Zeitung "Sewodnja" vermutet, dass die in Pensa Festgenommenen zu einer tschetschenischen Bande gehören, von denen bereits im Dezember einige Personen verhaftet wurden. Eine russische Spezialeinheit hatte im südrussischen Samara und dem tschetschenischen Ort Schali mehrere Mitglieder dieser Gruppe von Entführern gefangengenommen. Diese Bande, so heißt es, habe sich auf die Geiselnahme von Kindern reicher Eltern spezialisiert. Unter den 13 im Dezember befreiten Geiseln waren sechs Kinder. Zu ihnen gehörte auch die dreizehnjährige Alla Gejfmann, die Tochter eines der reichsten Männer von Samara.

Grigorij Gejfmann gehört das Unternehmen "Rim" und die Bank "Express-Wolga" in Samara. Für das Leben von Alla forderten die Geiselnehmer zwei Millionen Dollar. Um den Druck auf den Vater zu erhöhen, schickten die Entführer dem Vater zwei abgeschnittene Finger seiner Tochter. Alla lebt nun wieder bei ihrem Vater. Am Sonntag flog auch Adi Scharon nach Hause, zurück nach Israel, begleitet vom russischen Innenminister, Wladimir Ruschailo. Mit an Bord waren auch zehn russische Soldaten, die im Tschetschenienkrieg verwundet wurden. In Israel werden sie kostenlos behandelt, eine Geste der Dankbarkeit Israels. Russlands Innenminister wird in Israel von Premier Barak persönlich empfangen.

Ulrich Heyden

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