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Panorama: Schreckgespenst einer zweiten Pallas verscheucht

Gestrandeter Tanker frei geschleppt - "Clement" wird nun im Großen Belt von Tauchern eingehend untersuchtAndreas Frost Rund 8000 PS zogen am Heck der "Clement" und brachten sie gestern Mittag dahin, wo sie hergekommen war: Ins tiefe Wasser. Es war der zweite Versuch der beiden Schlepper.

Gestrandeter Tanker frei geschleppt - "Clement" wird nun im Großen Belt von Tauchern eingehend untersuchtAndreas Frost

Rund 8000 PS zogen am Heck der "Clement" und brachten sie gestern Mittag dahin, wo sie hergekommen war: Ins tiefe Wasser. Es war der zweite Versuch der beiden Schlepper. Der erste war morgens gescheitert. Einer vorne, einer hinten - so hatten sie versucht den mit 59 000 Tonnen Rohöl beladenen Tanker frei zu schaukeln. Doch da blies der Wind zwischen der mecklenburg-vorpommerschen Halbinsel Darß und der dänischen Insel Falster das Wasser noch zu kräftig nach Osten.

Das 220 Meter lange Schiff mit seinen 13,40 Meter Tiefgang blieb "mit wesentlichen Teilen", so die Behörden, auf dem Kies-Gemergel-Grund sitzen. Mittags ließ die Brise nach, das Wasser kam zurück und die "Clement" frei. Das Schreckgespenst einer zweiten "Pallas" war verscheucht.

Wenn der Tanker bricht, drohe "die größte Ölkatastrophe in der Ostsee", hatte Alfred Schumm von der Umweltstiftung World Wildlife Fund (WWF) gewarnt. Wie andere Umweltverbände auch hatte er noch den havarierten Tanker "Pallas" vor Augen. Das Schiff war Ende Oktober 1998 vor der dänischen Küste in Brand geraten und war dann ohne Besatzung zehn Seemeilen südwestlich vor Amrum im Wattenmeer auf Grund gelaufen. Durch Risse im Rumpf trat Schweröl aus, verseuchte Strände und tötete unter anderem 16 000 Seevögel.

Auch die "Clement" lag nur zehn Seemeilen vor dem Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Er wolle nichts verharmlosen, sagte Falk Meyer vom Wasser- und Schifffahrtsamt in Stralsund, aber der Fall "Clement" sei mit dem der "Pallas" nicht zu vergleichen. Der Tanker sei schließlich nicht brennend und führerlos umhergetrieben.

Der Kapitän des in Nassau auf den Bahamas registrierten Schiffes habe anders als sein "Pallas"-Kollege Vertreter deutscher und dänischer Behörden an Bord gelassen, Schlepper und Ölbekämpfungsschiffe waren schnell vor Ort. Und das Schiff war auch nicht Spielball zehn Meter hoher Wellen wie damals auf der Nordsee. Doch das grundsätzliche Problem bleibt. Die Ostsee ist eben nicht nur die Berliner Badewanne, sondern ein viel befahrenes kleines Weltmeer auf dem Unmengen gefährlicher Güter transportiert werden.

Zwischen Falster und dem Darß liegt einer der Flaschenhälse. Hier ist die so genannte Kadetrinne nur rund 20 Meter tief und an ihrer engsten Stelle gerade einmal eine Seemeile, also 1,85 Kilometer breit. Das ist für Tanker vom Kaliber der "Clement" kaum Raum zum manövrieren. Eine kleine Abweichung reicht und das Schiff sitzt schnell auf dem Rand der Kadetrinne, wo das Wasser nur sieben Meter tief ist. 55 000 Fahrzeuge mit mehr als zehn Metern Tiefgang passieren jährlich die Kadetrinne. Die "Clement" ist seit 1998 das neunte Frachtschiff, das auf Grund lief.

Ob Wind und Wetter oder aber Absicht den Kapitän auf seinem Weg von Riga nach Spanien vom empfohlenen Kurs abbrachte, ist nicht bekannt. Denn mancher Seefahrer will Zeit und Geld sparen und sucht Abkürzungen. Verboten ist das nicht, denn vorschreiben kann man den Kapitänen in internationalen Gewässern zurzeit nur wenig. Die Route jedenfalls nicht. Im April soll sich das ändern. Deutschland und Dänemark haben sich geeinigt, die Betonnung für die Fahrrinne so zu ändern, "dass wir mit solchen Havarien mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu rechnen haben", sagt der Schweriner Umweltminister Wolfgang Methling (PDS).

Vom nächsten Schritt, die so vorgegebene Route auch verbindlich vorzuschreiben, sind die Ostsee-Anrainer aber noch ein Stück weit entfernt. Alle weiteren Vorschläge zur Verkehrssicherheit auf See, die nach der "Clement"-Havarie aus den Schubladen geholt wurden, sind nicht ostsee-spezifisch. Sie reichen von der Anmeldepflicht vor dem Durchfahren sensibler Gewässer über Radar- und Satellitenüberwachung und Fahrtschreiber bis hin zur Forderung nach Verbot der so genannten Einhüllen-Tanker. Die "Clement" wird wohl nach einer Untersuchung ihres Rumpfes durch Taucher ihre Fahrt ohne all diese Spezialtechnik fortsetzen. Zunächst stand nicht fest, ob das 24 Jahre alte Schiff den Großen Belt aus eigener Kraft ansteuern kann oder dorthin geschleppt werden muss.

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