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Panorama: Schüsse im Dunkeln

Heckenschütze versetzt West Virginia in Angst und Schrecken – alle drei Opfer mit demselben Gewehr erschossen

Von Matthias B. Krause,

New York

Die jüngsten Nachrichten waren nicht besonders gut, doch der Polizeisprecher in Charleston versuchte, das Beste daraus zu machen. „Wir haben nun eine Richtung, in die wir gehen können“, sagte er nach der Vorlage der neuesten ballistischen Untersuchung dreier Todesfälle im US-amerikanischen Bundesstaat West Virginia. Danach wurden alle drei Opfer in der vergangenen Woche mit demselben Gewehr erschossen. Kaliber 22, Entfernung zwischen Täter und Opfer knapp 30 Meter.

Die Bewohner des Bezirkes Kanawha sind dennoch höchst beunruhigt. Zum Beispiel Peggy Benton. „Ich gehe nicht mehr raus, wenn es dunkel ist", sagte sie der Zeitung „USA Today“, ich weiß nicht, was hier vor sich geht und was nicht. In jedem Fall ist es beängstigend."

Noch ist die Panik in der abgelegenen Region hinter den Appalachen nicht so groß wie im vergangenen Oktober rund um Washington D. C. Dort hatten Heckenschützen die Menschen drei Wochen lang in Angst und Schrecken versetzt. 15 starben, ehe zwei Verdächtige festgenommen wurden, die nun auf ihren Prozess warten. Das öffentliche Leben in der Region um die Hauptstadt war damals fast zum Erliegen gekommen. Schulen und Kindergärten strichen sämtliche Aufenthalte im Freien, Tanken und Einkaufen wurden zu unberechenbaren Risiken.

Auch in dem neuen Fall war ein Opfer gerade dabei, seinen Wagen zu betanken. Jeanie Patton, 31, traf eine tödliche Kugel in den Nacken. Am selben Tag, dem 14. August, wurde 90 Minuten später Okey Meadows jr., 26, erschossen – vor einem Supermarkt, zehn Meilen vom ersten Tatort entfernt.

Während die Polizei zunächst vermutete, das Motiv für die beiden Taten könne im Drogenmilieu liegen, scheint dieser Verdacht durch das ballistische Untersuchungsergebnis des dritten Mordes nun ausgeräumt zu sein. Die Kugel, die den 44-jährigen Familienvater Gary Carrier am 10. August tötete, stammte aus derselben Waffe, doch hatte Carrier – darin sind sich die Sonderkommission der Polizei und die Familie einig – nichts mit dem Handel von Amphetaminen zu tun, in die die beiden anderen Opfer verstrickt gewesen sein sollen.

Am Freitag veröffentlichte die Polizei ein Phantombild des mutmaßlichen Täters. Demnach ist er weiß, männlich, von kräftiger Statur und trägt mittellange schwarze Haare. Sein Gesicht ziert ein Ziegenbart – Merkmale, die auf tausende Männer der Region zutreffen. Nicht sehr hilfreich ist auch die Beschreibung des Fahrzeuges, das der Heckenschütze benutzen soll. Allein 2002 wurden 2600 dunkle Ford F-150 Pickup in West Virginia verkauft. Gleichzeitig ist es bei Dieben das zweitbeliebteste Modell, nur Chevrolet Cavaliers werden noch öfter gestohlen.

Dass die Nerven der Vorort-Bewohner von Charleston blank liegen, zeigt ein Vorfall vom Mittwoch. Da meldete ein 16-jähriges Mädchen der Polizei, sie sei aus einem schwarzen Pickup heraus im Eingangsbereich eines Supermarktes beschossen worden, doch trotz intensiver Suche konnten die Ermittler weder Einschusslöcher noch Kugeln sicherstellen. Sie gehen von einem Fehlalarm aus. Anfang der Woche hatte sich eine Polizeistreife eine wilde Verfolgungsjagd mit einem schwarzen Kleinlaster geliefert, der der Zeugenbeschreibung entsprach. Der Verdächtige gab Gas als er die Sirenen hörte und schüttelte die Verfolger in den dichten Wäldern West Virginias ab. Von ihm fehlt bislang jede Spur. Ob es eine Verbindung zu dem Heckenschützen gibt, ist offen.

Die Geschäftsleute im Bezirk Kanawha stellen mittlerweile eine deutliche Veränderung im Kundenverhalten fest. Weil alle drei Opfer nach Einbruch der Dunkelheit erschossen worden waren, erledigen viele ihre Besorgungen jetzt, solange es hell ist.

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