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Panorama: Schweizer zum Anfassen

Wie die Eidgenossen deutsche Frauen während der Fußball-WM anlocken wollen

Die Fußball WM rückt näher, da wollen auch die Schweizer mit am Ball sein. Ihre wackere Kickertruppe gehört zwar in den deutschen Stadien nicht unbedingt zum Kreis der Favoriten. Dafür aber planen die Eidgenossen den großen Erfolg mit der deutschen Frau. Die Damen aus dem „großen Kanton“ sollen spätestens zum Anpfiff des Megaturniers am 9. Juni im Alpenland Zuflucht finden.

Hier, fernab von ihren fußballverrückten Männern, können sie ausspannen, träumen – und sich vielleicht auch einen feschen Kerl anlachen. So legen es die Manager von Schweiz Tourismus nahe. „Fußball-WM 2006: Unser Alternativprogramm für Frauen“, prangt es in großen Lettern auf der Internetseite der Fremdenverkehrszentrale. Und dann kommt der Appell: „Frauen, verbringt doch den WM-Sommer dort, wo sich die Männer weniger um Fußball kümmern, dafür mehr um Euch: Zum Beispiel in den Schweizer Bergen.“ Darüber präsentieren sich Schweizer Modelmänner – von der Marke Naturbursche.

Im „WM-Alternative-Clip“ zeigen die Herren dann ihre Vorzüge etwas näher: Da ist etwa der kernige Bergsteiger mit den wilden Haaren und dem Augenaufschlag des Abenteurers; da lädt der seriöse Kapitän in blauer Uniform zur romantischen Fahrt auf seinem Dampfer ein. Da ist der einfache Heusammler: Der grinst etwas dreist in die Kamera, oben ohne, eine Mistgabel geschultert. Auf der verschwitzten Brust des schönen schweizerischen Landwirts baumelt ein Amulett. Und unter der Jeans zeichnet sich ein blütenweißer Slip ab. Heimlicher Star der Riege ist jedoch Renzo Blumenthal: Der „amtierende Mister Schweiz“ umfasst mit kräftiger Hand den Euter einer Kuh. Im Hintergrund der Melkszene spannt sich ein strahlend blauer alpiner Himmel – der Schweizer zum Anfassen. Das Ziel der Werber: Der bodenständige Schweizer Sexappeal soll die Berlinerin, Hamburgerin und Kölnerin über den Bodensee locken.

Werben die braven Schweizer offen für „Sextourismus“ in ihrem Land? „Die Tourismuszentrale lockt mit halbnackten Beaus und propagiert offen den Sextourismus in der Schweiz“, schrieb „spiegel-online“. „Nein“, weist die Sprecherin von Schweiz Tourismus, Edith Zweifel, jeden Verdacht der Unlauterkeit von sich. „Das ist doch alles humoristisch gemeint“, erklärt sie. „So haben es auch die meisten Leute gesehen. Die Reaktionen sind fast alle positiv.“ Doch könnten die halbnackten Schönlinge zumindest gewisse sexuelle Assoziationen auslösen?

Da schiebt die Dame des Tourismusvereins gleich die Gegenfrage hinterher: „Denken Sie bei schönen Frauen in der Werbung etwa direkt an Sextourismus?“ Immerhin empfahl schon eine Internetseite für Schwule den Auftritt des Tourismusverbandes zum Anschauen. „Auch sonst“, so betont Edith Zweifel, „ist der Erfolg grandios“: TV- und Radiostationen aus den USA, Kanada, Japan und Italien berichteten über die spritzigen Eidgenossen. Der Clou: Ein Videoclip der Tourismusmanager läuft in den Nachrichten- und Magazinsendungen der TV-Sender. Die Eidgenossen brauchen also keinen Franken für ihren Werbeauftritt zu berappen: Frechheit zahlt sich aus.

Ebenso schießen die Klicks auf der Internetseite in die Höhe. Rund 3200 Mal allein an einem Nachmittag.

Ein Anreiz für die Surferin: Sie kann direkt beim Gewinnspiel mitmachen. Welcher der Prachtburschen ist ihr Favorit? Mit etwas Glück kann die Tipperin dann ihre Ferien in der Schweiz gewinnen. Wo die Reise hingehen könnte: Nach Genf zum WM-Special „Pour vous Madame“: „Stadtrundfahrt mit diversen Vergünstigungen“; nach Flims Laax zum Fitnessprogramm „Deligthed Air“, zur „Antistresswoche ins Tessin oder nach Bern – zum Shopping.

Wer kam auf die doch eher unschweizerische Idee, mit nacktem Fleisch zu werben? „Wir wollten etwas gegen das übliche Klischee des korrekten Schweizers tun“, gibt Edith Zweifel zu. „Wir haben die Zürcher Agentur Spillmann/Felser/Leo Burnett um eine ganz neue, pfiffige Idee gebeten.“

Die PR-Profis lieferten. Jetzt könnten die sexy Schweizer Kerls Kultstatus erlangen – genau wie etwa der blonde polnische Klempner, der für Deutschlands östliche Nachbarn wirbt. Letztlich jedoch ist klar: Hinter der heißen Kampagne verbirgt sich knallhartes Business.

Hat die Aktion denn schon Buchungen gebracht? „Das können wir noch nicht sagen“, meint Tourismus-Frau Zweifel mit typisch schweizerischer Vorsicht. „Wir gehen aber davon aus.“

Dass die Schweizer in punkto Tourismus innovativ sind, bewiesen sie schon vorher: Vor Jahren gaben sie einer ganzen Region kurzerhand den Namen ihrer berühmtesten Romanheldin: „Heidiland“. Jetzt sollen es Burschen aus echtem Fleisch und Blut richten.

www.myswitzerland.com

Jan Dirk Herbermann[Genf]

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