zum Hauptinhalt

Panorama: Schwere Überflutungen im Norden

BONN (AP/rtr).Keine Entwarnung beim Hochwasser in Sicht: Zwar fielen am Freitag vielerorts die Pegelstände, doch erwartete der Deutsche Wetterdienst für das Wochenende weitere Regenfälle, die neue Überschwemmungen auslösen könnten.

BONN (AP/rtr).Keine Entwarnung beim Hochwasser in Sicht: Zwar fielen am Freitag vielerorts die Pegelstände, doch erwartete der Deutsche Wetterdienst für das Wochenende weitere Regenfälle, die neue Überschwemmungen auslösen könnten.Am Rhein wurde eine Katastrophe wie im Januar 1995 nicht mehr ausgeschlossen.

In Delmenhorst bei Bremen wurde am frühen Freitag morgen Katastrophenalarm ausgelöst, nachdem Teile der Stadt mit 80 000 Einwohnern überflutet worden waren.Im Emsland wurde ein Deichbruch befürchtet.In Delmenhorst zeichnete sich im Laufe des Freitags eine leichte Entspannung ab, der Katastrophenalarm wurde jedoch aufrechterhalten.In dem überschwemmten Gebiet befindet sich nach Angaben eines Sprechers der Stadt ein Krankenhaus.Dort sei Wasser in den Keller eingedrungen, was den Klinikbetrieb aber nicht beeinträchtigt habe.Rund 300 Helfer seien im Einsatz.In der Innenstadt stand das Wasser so hoch, daß nur noch Lastwagen die Straßen passieren konnten.Etwa 100 Bewohner wurden mit Schlauchbooten in Sicherheit gebracht.Auch im restlichen Niedersachsen war die Lage ernst, wie Ingo Marek vom Landesinnenministerium in Hannover unterstrich.

Die Hochwasserwarnzentrale in Karlsruhe teilte mit, die Pegel der Flüsse in Baden- Württemberg gingen fast überall zurück.Die Hochwasserwelle des Neckars passierte am Vormittag Heidelberg, ohne größere Schäden anzurichten.Nur zwei Uferstraßen mußten gesperrt werden.In Baden-Baden, wo am Donnerstag Katastrophenalarm ausgelöst worden war, sei der Pegel der Oos auf 1,30 Meter gefallen, teilte die Hochwasserzentrale mit.Im Krisenstab in Baden-Baden hieß es, die Lage habe sich entspannt, allerdings hingen bereits wieder dicke Regenwolken über der Stadt.700 Helfer seien im Einsatz.

Das Bayerische Landesamt für Wasserwirtschaft erklärte, abfließende Wassermassen aus den oberen Wasserläufen ließen Donau, Main, Naab und Regen ansteigen.Unterhalb von Bamberg steige der Main-Pegel weiter an und sorge für Überschwemmungen von Feldern.Wegen Zuflüssen aus der Naab steige das Wasser der Donau unterhalb von Regensburg.Der in den Landkreisen Cham (Bayerischer Wald) und Miltenberg (Unterfranken) ausgelöste Katastrophenalarm wurde inzwischen aufgehoben.

Nach Angaben des Wasser- und Schiffahrtsamtes Köln stieg dort der Rhein-Pegel bis 13 Uhr binnen 24 Stunden um 1,57 Meter auf 7,37 Meter Meter an.Für Samstag morgen werde ein Pegelstand von 8,20 bis 8,30 Meter erwartet, was zu weiteren Einschränkungen für die Schiffahrt führen werde.Schon am Mittag waren die Kapitäne der Binnenschiffe angewiesen worden, ihre Fahrzeuge in der Strommitte zu halten.Entspannt hat sich die Lage nach Mitteilung des Umweltamtes Münster hingegen an den Flüssen Ems, Weser, Stever, Berkel und an der Ruhr.Die Talsperren im Sauerland seien nahezu voll, berichtete der Ruhr-Verband in Essen.

Sorgen gab es am Freitag in der Ortschaft Haselünne im Emsland wegen eines befürchteten Dammbruchs.Wie ein Sprecher der Landkreisverwaltung berichtete, hatten Helfer entlang der Bundesstraße 42 einen Wall aufgeschüttet, der löchrig geworden sei.Der Damm solle rund 200 Häuser vor den Fluten des Flusses Hase schützen.

Der Hamburger Klimaforscher Mojib Latif hält derzeit einen Zusammenhang zwischen besonders heftigen Herbststürmen und einer globalen Erwärmung nicht für nachweisbar.Der Experte vom Max-Planck-Institut für Meteorologie sagte dem Norddeutschen Rundfunk am Freitag, es reiche nicht aus, nur ein oder zwei Jahre zu betrachten, um Zusammenhänge herzustellen.Vielmehr müßte ein Zeitraum von etwa 100 Jahren gesehen werden."Wenn wir dies tun, können wir bisher eigentlich noch keine Situation feststellen, die außerhalb des Normalen liegt", sagte Latif.

STICHWORT

Katastrophenalarm

Katastrophenalarm wird ausgerufen, wenn das Leben oder die Gesundheit zahlreicher Menschen bedroht, oder die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung wegen gefährdet ist.Als Katastrophe bezeichnet das Landeskatastrophenschutzgesetz von Baden-Württemberg ein Naturereignis, wie etwa Erdbeben oder starke Regen- und Schneefälle oder sogenannte technische Unglücksfälle wie einen Flugzeugabsturz.

Nur die jeweilige Verwaltungsspitze, also Bürgermeister oder Landrat dürfen den Katastrophenalarm auslösen."Es muß eine Lage eingetreten sein, bei der eine Gesamtleitung erforderlich", erklärt der oberste Katastrophenschützer der Bezirksregierung Weser-Ems in Niedersachsen, Bernd Hörcher.Die Aufgaben von Feuerwehr, Polizei und Rettungskräften oder Technischem Hilfswerk werden dann entsprechend der Gefahrenlage von einer zentralen Stelle koordiniert.Auch überregionale Unterstützung, wie etwa von der Bundeswehr, kann angefordert werden.

Auch wenn noch kein Katastrophenalarm ausgelöst wurde, können die örtlichen Behörden - etwa der Landrat eines vom Hochwasser betroffenen Kreises - Zwangsevakuierungen anordnen und dabei sogar Grundrechte wie die Freizügigkeit und das Recht auf Wohnung außer Kraft setzen.Nach Angaben des brandenburgischen Innenministeriums bieten Ordnungsbehördengesetz, Polizeigesetz und Katastrophengesetz des Landes dafür die rechtlichen Grundlagen.

Die von einer Zwangsevakuierung betroffenen Menschen müssen den Anordnungen folgen und können nicht geltend machen, daß sie das Risiko freiwillig auf sich nehmen.Denn sie könnten dann Rettungsmaßnahmen behindern und möglicherweise Helfer binden, die andernorts dringend benötigt werden. AP

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false