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Scientology: Irrtum des Parlaments

In Frankreich sollte Scientology aufgelöst werden – das scheiterte aber an einer Panne. So kam die umstrittene Organisation mit Bewährungsstrafen und Geldbußen davon.

Es hätte das definitive Aus für Scientology in Frankreich sein können. Doch es kam anders. Statt der Auflösung der Organisation, wie sie der Staatsanwalt gefordert hatte, konnte die 12. Kammer des Pariser Strafgerichts gestern im Betrugsprozess gegen Scientology und ihre Führungsmitglieder nur relativ milde Urteile verhängen. Durch einen Irrtum des französischen Parlaments waren dem Gericht überraschend die Hände gebunden.

Niemand hatte bemerkt, dass sich die Gesetzeslage inzwischen geändert hatte, als der Prozess im Mai begann. Erstmals waren nicht nur Aktivisten, sondern auch die Organisation wegen „organisierten Bandenbetrugs“ angeklagt. Und so tappte der Staatsanwalt gewissermaßen in eine Falle, als er in seinem Plädoyer die Auflösung des Pariser „Scientology-Celebrity Center“ und der angeschlossenen Buchhandlung Scientology Espace Liberté forderte. Gegen die sieben Angeklagten hatte er Geldbußen von vier Millionen Euro sowie Haftstrafen auf Bewährung verlangt.

Er hielt es für erwiesen, dass sie die als Nebenkläger auftretenden vier Personen unter Ausnutzung ihrer psychischen Labilität um Zehntausende von Euro erleichtert hatten, indem sie ihnen wertlose sogenannte Elektrometer, Bücher des Scientology-Gründers Ron Hubbard und Psychopharmaka zur „seelischen Reinigung“ aufdrängten.

Im September stellte sich heraus, dass die Anklage ihr Ziel, die Scientology aufzulösen, nicht erreichen würde. Der Öffentlichkeit war bis dahin völlig entgangen, dass das Parlament bei der Entrümpelung von Gesetzestexten auch die Vorschrift über die Auflösung betrügerischer Organisationen gestrichen hatte. Ob Absicht dahinter stand oder ob es sich, wie Parlamentspräsident Bernard Accoyer versicherte, um ein Versehen handelte, ist ungeklärt.

Inzwischen ist die gestrichene Vorschrift wieder etabliert. Doch in dem Prozess, in dem gestern die Urteile verkündet wurden, konnte sie wegen des Verbots der Rückwirkung nicht angewendet werden. Ersatzweise hätte das Gericht der Scientology die Ausübung ihrer Aktivitäten verbieten können, was freilich, wie es in der Urteilsbegründung sagte, das Risiko bedeutet hätte, dass sie außerhalb des gesetzlichen Rahmens weitermachen würde. So kam die Organisation mit Geldbußen von 600 000 Euro sowie zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafen und Geldbußen von bis zu 30 000 Euro für die Führungsmitglieder davon.

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