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Panorama: Sein Leben, fast ein Film

Zur Beerdigung von Rudolph Moshammer kamen noch einmal alle zusammen: Schickeria, Freunde und Obdachlose

Zum Radetzkymarsch muss man vielleicht noch wissen, dass dessen Abspielen beim traditionellen Wiener Neujahrskonzert der dortigen Philharmoniker in diesem Jahr ausgefallen ist. Der Dirigent Lorin Maazel wollte die Gaudi angesichts der Flutkatastrophe in Asien nicht zu weit treiben. Mitklatschen entfiel also. Drei Wochen später erklingt der Radetzkymarsch wieder, in München auf der Maximilianstraße, als der Hund des vor einer Woche ermordeten Modemannes Rudolph Moshammer vor dessen Geschäft während des Trauerzuges noch einmal aus dem Auto gehoben wird. Es spielt die Musikvereinigung Oberschleißheim, und wie Hunde eben so sind, ist es auch der fast zum Menschen geadelten Daisy schnell zu laut und zu eng. Hinter den Absperrungen stehen ungefähr tausend Menschen im leichten Schneetreiben.

Für manche liegt in diesem Augenblick ein Hauch von Fasching, für andere ist es noch einmal ein tragischer Moment. Nicht nur während dieser Szene gleicht der Münchner Heimgang des eben dort im Jahre 1940 geborenen Rudolph Moshammer streckenweise einem Film, den sich Beteiligte und Unbeteiligte so interpretieren, wie er ihnen gefällt. Auch für die in großer Zahl anwesenden Bodyguards ergibt sich die Möglichkeit, Filmmotive nachzuspielen: Das Auto mit dem Sarg wird im Schritttempo eskortiert, als führe hier der lebendige amerikanische Präsident. Machtvoll waren die Personenschützer auch aufgetreten, als am Tag zuvor die Münchner in der St.-Lukas-Kirche vor dem mit weißen Lilien bedeckten Mahagonisarg Abschied von Moshammer nahmen: Längeres Verweilen in der Bank wurde nicht geduldet, der Gehweg genau vorgeschrieben. Die meisten Bodyguards tun sonst eher an der Discotür Dienst.

Die Zahl der Aufpasser steht auch beim mit Mozart und Bach musikalisch umrahmten Trauerakt in der Allerheiligen-Hofkirche im Missverhältnis zum allseits erwarteten Prominentenauftrieb, der sich doch sehr in Grenzen hält. Neben Roberto Blanco halten, je nach Mentalität mehr oder weniger zurückhaltend, Einzug: Patrick Lindner, die Jacobs Sisters und Ottfried Fischer. Kurz vor zehn Uhr nutzt auch noch der ehemalige Präsident von 1860 München, Karl-Heinz Wildmoser, die Gunst der Stunde, um zwei Tage nach einer Herzoperation auf die gesellschaftliche Bühne Münchens zurückzukehren. Die Bayerische Staatsregierung immerhin schickt den Staatssekretär Hans Pfitzner, die Stadt München eine stellvertretende Bürgermeisterin.

Auf den Trauerkarten steht unter dem Wappen, das sich der von Konsul Hans-Hermann Weyer einmal zum Ritter der Malteser geschlagene Moshammer wählte: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Als Autor wird Albert Camus angegeben – ein Irrtum freilich: Der Spruch ist von Antoine de Saint-Exupéry, dem Autor des „Kleinen Prinzen“.

Dass die Wahl für die Trauerfeier auf die erst im vorletzten Jahr renovierte Hofkirche gefallen ist, hat dem bayerischen Finanzminister Kurt Faltlhauser, der hier als Hausherr firmiert, nicht gefallen. Moshammers Beerdigung erscheint ihm nach eigenen Worten „nicht würdig genug“ für den Rahmen. Die Sache relativiert sich aber schnell, wenn man bedenkt, dass jeder Privatmann diesen Rahmen für 3900 Euro täglich mieten kann. Vorgestern noch hat der ADAC dort an den Chef von Porsche, Wendelin Wiedeking, den „Gelben Engel“ verliehen – eine Auszeichnung für Verdienste ums Auto.

Ein Friedhof hingegen ist ein Friedhof; Streit verbietet sich von selbst, und so kehrt auf dem Ostfriedhof, topographisch an der Schnittstelle zwischen dem proletarischen Obergiesing und dem „besseren“ Haidhausen gelegen, für kurze Zeit Ruhe ein, als der Sarg aus der Aussegnungshalle in Richtung der in vielen Zeitungen fälschlicherweise als „Mausoleum“ bezeichneten Grabstätte getragen wird. In einem gar nicht protzigen Tempelchen wurde dort bereits Else Moshammer 1993 zur letzten Ruhe gebettet, nun folgt ihr der Sohn nach. Obwohl er alterslos sterben wollte, weil er nach eigenem Bekunden auch alterslos gelebt hatte, sind seine Lebensdaten eingraviert: Rudolph Moshammer, 27.9.1940 - 14.1.2005.

Die Tölzer Stadtkapelle spielt einen Trauermarsch, und obwohl Moshammer aus der Kirche ausgetreten war, lässt der Pfarrer das Vaterunser beten. „Es heißt“, sagt er, „Menschen begleiten uns nur eine Weile, aber manche hinterlassen Spuren in unserem Herzen, und manchmal sind es sehr viele.“ Noch einmal spielen die Tölzer, und als der Himmel kurz aufreißt, um ein kleines Stückchen Blau zu zeigen, wird klar, dass man bayerischer als Bayer kaum beerdigt werden kann. Hernach zerfällt die gemischte Gesellschaft wieder in einzelne Gruppen. Für die zahlreich anwesenden Obdachlosen ist ein Leichenschmaus im Haidhauser Unionsbräu vorgesehen: Leberkas, Kartoffelsalat, Weißbier. Die Angestellten kehren am Nockherberg ein, wo bisher eine theatralische Kopie von Rudolph Moshammer zum Bühnenpersonal gehörte, wenn es beim Starkbieranstich ums Derblecken ging. Wie man weiterhin reden wird über die schöne Leich’ Rudolph Moshammer, welche Lebensspuren noch freigelegt werden und von wem – das ist vorerst nicht raus.

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