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Panorama: Sexualforschung: Mehr Sex in Zeiten des Terrors

Betsy ist über sich selbst überrascht. Am Tag, nachdem die Türme des World Trade Center eingestürzt waren, als die Bilder des Grauens wieder und wieder gezeigt wurden, "habe ich Männer angerufen, mit denen ich irgendwann mal Essen war, und ziemlich direkt gefragt: Willst du Sex?

Betsy ist über sich selbst überrascht. Am Tag, nachdem die Türme des World Trade Center eingestürzt waren, als die Bilder des Grauens wieder und wieder gezeigt wurden, "habe ich Männer angerufen, mit denen ich irgendwann mal Essen war, und ziemlich direkt gefragt: Willst du Sex?". Was die 26-jährige Tontechnikerin erzählt, ist ein Phänomen, für das Psychologen Namen haben. "TS" ist wohl die geläufigste, sie steht für "Terrorsex". Auch von "EOWS" ist die Rede: "end-of-the-world-sex", Weltuntergangssex. Der New Yorker Psychiater Howard Brown nennt es "PDS". "Post-Desaster-Sex ist eine absolut natürliche Reaktion, auch wenn mancher die Nase darüber rümpfen mag", sagt er. Tony (32), ein Software-Entwickler, redete sich das Staunen über sich selbst in einem TS-Chatroom von der Seele: "Ich rannte weg von den Twin Towers wie alle anderen. Ich hatte wahnsinnige Angst, doch noch im Laufen nahm ich Frauen wahr und ich dachte daran, wie es mit ihnen wäre." Das sei "wirklich keine Schande", meldete sich die Sexualwissenschaftlerin Pepper Schwartz zu Wort.

Nach den Terroranschlägen, berichtete die Dozentin der University of Washington, "haben mir alle möglichen Leute ähnliches geschildert". Laut Pepper ist ein deutlich stärkeres Verlangen nach Sex in extremen Krisensituationen wie etwa in Kriegen, nach Erdbeben oder Vulkanausbrüchen eine lange bekannte Reaktion bei beiden Geschlechtern. In Extremsituationen werde Menschen oft ganz plötzlich bewusst, "dass das Leben äußerst wertvoll und nicht unendlich ist", sagte Professor Peter Salovey, Leiter der Abteilung Psychologie der Yale University.

Die Forscherin Helen Fisher von der Rutgers University, New Jersey, begründet das Phänomen mit einer durch akute Überlebensängste ausgelösten Hormonreaktion. Nicht nur Testosteron sondern "ein ganzer Cocktail antreibender Hormone" werde in solchen Situationen ausgeschüttet. Pietätlos müsse das niemand finden. "Zuletzt habe ich sowas 1994 nach dem Erdbeben in Los Angeles beobachtet." "One-Night-Stands waren lange verpönt", sagt Aktienhändler Oliver (28). "Wenn ich früher bei einer Zufallsbekanntschaft gleich das Thema Sex angeschnitten hätte, wäre das Gespräch beendet gewesen. Jetzt ist das ganz anders."

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