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Ein Polizist in Hannover "verhaftet" eine Drohne. Dürfen diese unbemannten Flugobjekte bald nicht mehr ohne Führerschein gesteuert werden?

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Sicherheitsexperte Helmut Spahn im Interview: Führerschein für Drohnen?

Einige begeistert die Technik der fliegenden Freizeit-Drohnen. Andere warnen vor Risiken durch Kriminelle und Terroristen. Mahner rufen nach mehr Regeln: Brauchen wir einen Führerschein für Drohnen? Der frühere Sicherheitschef des DFB fordert eine stärkere Kontrolle, ähnlich dem Waffengesetz.

Sie sind relativ preiswert, technisch immer ausgefeilter und erobern zunehmend den Luftraum und die Schlagzeilen: Drohnen. Mit den unbemannten Flugkörpern testet die Post an der Nordsee gerade die Zukunft der Paketzustellung. Doch über französischen Atomkraftwerken löst ihr Erscheinen ebenso Alarm aus wie über deutschen Gefängnissen. Schon wurden die ersten Drohnen mit Drogen und Handys in Innenhöfen von Haftanstalten entdeckt. „Wir sind uns des Problems bewusst und haben es im Blick“, sagt etwa Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne). Nach Angaben ihres Hauses wollen Staatssekretäre aus den Justizressorts aller deutschen Bundesländer das Thema im kommenden Mai in Bremen ausleuchten.

Drohnen-Spezialist sieht das Problem nicht auf technischer Ebene

„Wir stehen aber erst ganz am Anfang der Debatte“, sagt der Informatiker und Drohnen-Spezialist Sven Manske von der Universität Duisburg-Essen. Er glaubt: „Das Problem liegt bisher gar nicht so sehr auf der technischen Ebene, sondern in der Tatsache, dass das Bewusstsein für das Problem weitgehend noch fehlt.“ Obwohl es in vielen Städten zunehmend Beschwerden von Menschen gebe, vor deren Balkon kleine Drohnen auftauchten, würden sie weiter oft nur in ihrer militärischen Anwendung verstanden, sagt Manske. Er fordert etwa einen gesetzlich vorgeschriebenen Einbau von elektronischen Geräten, die die Zuordnung der Drohnen zum Eigentümer ermöglichen könnten.

Denn was vom US-Militär in weitaus komplexerer Form als tödliches Instrument im Kampf gegen den Terror genutzt wird, hat längst seinen Weg als Massenphänomen in den Alltag gefunden. Die Billigflieger liefern nicht nur Paparazzi, sondern auch Polizei, Immobilienmaklern oder der Feuerwehr spektakuläre Luftbilder. Es gibt Pläne, sie etwa mit 3D-Druckern ausgestattet zum Ausbessern von hoch gelegenen Fassaden einzusetzen. Das Problem: Die Miniflieger können auch für diverse kriminelle Ziele genutzt werden - zumal sie immer kleiner werden und damit zunehmend schwieriger zu entdecken sind.

Auf der Spielwarenmesse in Nürnberg zeigte sich gerade, wie weit Perfektionierung und Miniaturisierung gehen: Der Rumpf des kleinsten ferngesteuerten Spaßfliegers war so groß wie ein Daumennagel. Kaum länger war ein Exemplar mit Kamera und Anschluss zum Übertragen der Videoaufnahmen. Andere können per Headset mit Worten gesteuert werden - alles Exemplare, die frei im Handel erhältlich sind.

Auf der CeBIT wird das Thema "Drohnen" breit diskutiert werden

„Wir haben uns die Zukunft immer mit fliegenden Autos vorgestellt, doch es sind die unbemannten Flugkörper, die sie prägen werden“, sagt Cathrine Kniep von der landeseigenen Niedersachsen Aviation, einer Initiative zur Unterstützung der Luft- und Raumfahrtindustrie. „Der Übergang von den Spielzeugen zu den Werkzeugen für alle Arten der Anwendung ist fließend.“ Dazu gehören auch Industriespionage und -sabotage - ein Thema, das bei der in einem Monat beginnenden Hightech-Messe CeBIT einen Schwerpunkt der Debatten darstellen wird.

Kniep ist sich daher beim Blick auf die Drohnenabwehr sicher: „Das ist wie mit dem Internet - wir haben uns erst vernetzt und dann erst Gedanken gemacht, wie wir uns vor denen schützen, die es übel mit uns meinen.“ Die Begeisterung für technische Innovationen überlagere noch immer rechtliche und ethische Debatten. Kein Wunder, dass erst langsam an der Abwehr der kleinen Fluggeräte für jedermann gearbeitet wird - einem Markt mit beachtlichem Potenzial.

„Er hat ein hohes Wachstumspotenzial, ist aber erst in der Phase des Entstehens; wir beobachten interessiert, was sich da tut“, sagt Sven Althoff. Das Vorstandsmitglied des weltweit drittgrößten Rückversicherers Hannover Rück weist auf die rasante Entwicklung hin, aber auch die in vielen Ländern unzureichende gesetzliche Lage: „Die Versicherungen fühlen sich nicht wohl bei dieser Konstellation.“

Spahn fordert Konzepte für Drohnen

Zu den wenigen prominenten Mahnern gehört der frühere Sicherheitschef des Deutschen Fußball-Bundes, Helmut Spahn. Der heutige Chef des International Centre for Sports Security (ICSS) in Katar fordert, die Drohnen endlich auf die Agenda der neuen Gefahrenquellen zu setzen und nach Konzepten gegen Drohnen zu suchen. Denkbar wäre auch ein Drohnen-Führerschein oder eine Besitzkarte wie bei Waffen.

„Es gibt technisch durchaus bereits erste Ansätze - etwa über Signalstörung für die Fernsteuerung“, sagt Hans-Jürgen Rehm von der IBM Deutschland zur Frage bestehender Drohnenabwehrsysteme. Das Problem: Die Frequenz muss erst mal bekannt sein; zudem können Störsender der Nachbarschaft den WLAN-Empfang zerhacken. Am weitesten dürften dabei bisher die USA sein, wo etwa die Firma DroneShield für Haftanstalten, Großveranstaltungen, Flughäfen und andere sensible Bereiche komplexe Anti-Drohnen-Anlagen entwickelt hat. Ein Export ist aber an restriktive Genehmigungen gekoppelt.

Eine stärkere Reglementierung für den Einsatz ziviler Drohnen mahnt der frühere Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußballbundes (DFB), Helmut Spahn an.
Eine stärkere Reglementierung für den Einsatz ziviler Drohnen mahnt der frühere Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußballbundes (DFB), Helmut Spahn an.

© dpa

Frankreich hat nach Drohnenüberflügen von Atomanlagen gerade seine nationale Forschungsagentur beauftragt, ein Abwehrsystem zur Entdeckung und Abwehr der Miniflieger zu entwickeln. Die deutschen Justizbehörden sind spätestens nach dem Fund einer mit Handy und Drogen beladenen Drohne in einer Haftanstalt in Hamburg alarmiert.

Aktuell findet eine Länderumfrage zum Umgang mit der Drohnengefahr statt. Sie dient dem Erfahrungsaustausch der Bundesländer untereinander und zielt auf die Frage nach Maßnahmen zur Abwehr von Überflügen und einem eventuellen Bedarf neuer Regelungen.

Helmut Spahn im Interview:

Eine Besitzkarte für Drohnen ähnlich dem Waffenschein? Für Helmut Spahn durchaus vorstellbar. Der einstige Sicherheitsbeauftragte für die Fußball-WM 2006 in Deutschland mahnt mehr Bewusstsein für die Risiken an. Er fordert eine konzertierte Aktion gegen die Bedrohung.

Eine stärkere Reglementierung für den Einsatz ziviler Drohnen mahnt der frühere Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Helmut Spahn, an. Schon im Vorjahr hatte der Sicherheitsexperte gefordert, das Thema auf die Agenda zu setzen. Anlass war eine Flagge, die mit einer Drohne beim Qualifikationsspiel zwischen Albanien und Serbien zur Fußball-Europameisterschaft in ein Stadion flog. Eine konzertierte Aktion fordert er im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Frage: Wie groß ist die Gefahr durch die zivilen Drohnen?

Antwort: Ich glaube, dass es sich um eine wachsende Bedrohung handelt. Diejenigen, die kriminelles Potenzial haben, werden alles versuchen, um neue Techniken für ihre Zwecke zu nutzen. Wie bei allen neuen Problematiken muss man natürlich auch in dem Fall aufpassen, dass man bei der Bekämpfung nicht übers Ziel hinausschießt, sondern zunächst eine seriöse Bestandsaufnahme sowie eine professionelle Risikoanalyse erstellt. Dazu gehören viele Akteure. Wie immer im Leben ist es das größte Problem, die unterschiedlichen Parteien an einen Tisch zu bringen, um eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. Es nutzt nichts, wenn das Justizministerium oder die Luftfahrtbehörde an irgendwelchen Modellen arbeiten und Einzellösungen hervorbringen. Da muss eine konzertierte Aktion her, da müssen alle an einem Strang ziehen.

Frage: Ist sich die Gesellschaft der Gefahr überhaupt bewusst?

Antwort: Man ist sich dieser Gefahr noch nicht gänzlich bewusst - wie man sich auch in anderen Bereichen der Gefahren erst relativ spät bewusstgeworden ist. Unsere Gesellschaft, die Welt an sich, verändert sich rasend schnell. Neue Technologien eröffnen viele Chancen, können aber auch als Bedrohung verstanden werden. Ähnlich ist es im Bereich der Drohnen. Man ist jetzt aufgeschreckt von zwei, drei öffentlichkeitswirksamen Aktionen und beginnt erst allmählich zu entdecken, wie unvorbereitet man ist. Ziel muss es sein, immer einen Schritt voraus zu sein, was zugegebenermaßen nicht einfach ist.

Frage: Wo stehen wir bei der Bestandsaufnahme?

Antwort: Wir kannten ja bisher den Begriff Drohne ausschließlich aus dem militärischen Bereich. Durch die technische Weiterentwicklung gibt es heute aber zivile Drohnen aller Art, die für Freizeitzwecke frei im Handel erhältlich sind. Die sind bei einem Gewicht unterhalb von fünf Kilo komplett von Zulassungen ausgenommen. Die Frage ist: Kann es bei solchen Regelungen bleiben? Wie kann ich das kontrollieren? Und was kann so eine Drohne transportieren? Ich muss ja auch in Betracht ziehen, dass es sich nicht nur um eine Flagge handeln kann, sondern auch um Sprengstoff oder biologisch-chemische Substanzen. Das ist eine Bedrohung, die ernst zu nehmen ist.

Frage: Brauchen wir mehr Reglementierung?

Antwort: Wenn man sich die Berichterstattung anschaut, dann wird da im Drohnen-Bereich von einem Milliardengeschäft gesprochen. Also wird es natürlich Lobbyarbeit geben von denen, die solche Fluggeräte vertreiben und die auf Freiheitsrechte pochen. Die Frage, die man sich nun stellen muss, ist aber: Wie kann ich das rechtlich sinnvoll handhaben und steuern? Man könnte sich vorstellen, dass es ähnlich wie bei Waffen eine Besitzkarte oder eine Art Führerschein geben muss für bestimmte Modelle. Ich glaube, dass der Lage angepasste Regelungen zwingend erforderlich sind. Das gehört auf die Agenda, darüber wird man reden müssen. Das Ergebnis kann im Einzelfall dann natürlich auch sein, dass das Risiko gegen Null geht. Es kann aber auch genau andersherum sein, und dann brauchen wir Lösungsansätze.

Frage: Gibt es bereits erste Drohnen-Abwehrsysteme?

Antwort: Es gibt bereits einige Systeme, die etwa den Funkverkehr stören, so dass Drohnen nicht mehr gesteuert werden können. Aber es gibt ein Problem dabei: Wenn ich das Fluggerät nicht kontrolliert zu Boden bringen kann und es nur unsteuerbar mache, dann riskiere ich unter Umständen eine Situation, bei der der Schaden noch größer wird.

ZUR PERSON: Der ausgebildete Polizist Helmut Spahn gilt weltweit als Experte für Sicherheitskonzepte. Unter anderem war er für die Sicherheit bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 verantwortlich.
Heute leitet der 54-Jährige in Katars Hauptstadt Doha die weltweit vernetzte Sicherheitsfirma „International Centre for Sport Security“. (dpa)

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