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Panorama: Sie bringen Gewissheit

In Thailand identifizieren BKA-Experten deutsche Tsunami-Opfer. Ihre Arbeit kann noch lange dauern

Die lange Spanplattenwand ist schneeweiß gestrichen. Unten sind zwei Holzstufen, auf knapp zwei Meter Höhe hängt ein Brett – Platz für Blumen und Kränze. Oben stecken 37 kleine Nationalflaggen. „Wand der Erinnerung – Opfer des Tsunami-Desasters, 26. Dezember 2004“, steht auf einem Schild. Die Gedenkstätte im Norden der Urlaubsinsel Phuket ist neu. Hinter ihr verdeckt ein Zaun Zelte und Kühlcontainer. Thailands Regierung hat beschlossen, ausländische und thailändische Tsunami-Opfer künftig an getrennten Orten untersuchen zu lassen.

Die Entscheidung ist umstritten. Trotzdem gibt es jetzt drei Identifizierungsorte. Fast alle ausländischen Opfer wurden nach Phuket gebracht, die Erinnerungswand steht entlang der Zufahrt zum neuen forensischen Zentrum.

In Deutschland warten Angehörige von 549 Vermissten auf Gewissheit. In Thailand arbeiten deshalb 41 Männer und Frauen vom Bundeskriminalamt und von Landeskriminalämtern, fünf Zahnärzte, drei Gerichtsmediziner und ein Armeearzt. Auf Phuket wurden Dutzende Kühlcontainer ohne Seitenwände nebeneinander gestellt. So entstanden drei kalte Hallen, jede 30 Meter breit und eine Containerlänge tief. „Bislang haben wir elf deutsche Opfer identifiziert“, sagt BKA-Kriminaldirektor Gerald Möbius, Chef der deutschen Mannschaft. Er deutet an, weitere Fälle stünden kurz vor dem Abschluss. Laut Auswärtigem Amt sind bereits 60 Deutsche identifiziert; das Amt zählt Tote mit, die von Angehörigen erkannt wurden. Das BKA aber muss Interpol-Kriterien erfüllen, um Rechtssicherheit herzustellen: Nur DNA, Zahnstatus oder Fingerabdruck zählen.

Deshalb geben in Deutschland Angehörige der Vermissten Zahnarztakten bei der Polizei ab, oder Beamte nehmen in Wohnungen Fingerabdrücke oder Haare für DNA-Proben. Auf Phuket nehmen Experten Fingerabdrücke von Leichen, legen Zahnakten an. Diese Ante- und Post- Mortem-Daten überprüft ein Computer. Findet er eine Übereinstimmung, wird diese erneut geprüft. Danach muss eine Kommission nicken, dann erst bescheinigen thailändische Beamte den Tod. „Einmal gab es klare Zahnbefunde, aber die Unterschrift des deutschen Zahnarztes fehlte. Das ließen sie nicht durchgehen“, sagt Möbius. „Aber außer der verständlichen Ungeduld der Angehörigen spricht nichts gegen die hohe Messlatte.“

Weil mittlerweile 1750 Ante- sowie Post-Mortem-Datensätze von Europäern vorliegen sollen, geht die Arbeit nun rascher voran. Nach zuvor täglich etwa fünf Identifizierungen seien am vergangenen Donnerstag 28 internationale Fälle abgeschlossen worden. Trotzdem werde die Arbeit der Experten noch lange dauern, sagt Möbius, bei einigen Opfern vielleicht Jahre. „Und bestimmt bleiben Einzelfälle ungeklärt.“ Vor Phukets forensischem Zentrum tanzen Schatten von Palmenblättern über die weiße Erinnerungswand. An der Stelle, an der „Germany“ steht, liegt ein Blumenstrauß. Vom deutschen Identifizierungsteam.

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