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Panorama: Sie kommen in großen Schwärmen

In sieben afrikanischen Ländern fressen Heuschrecken die Ernten auf – jetzt hat die Plage Nigeria erreicht

Im trocken-heißen Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens, sind grüne Flächen das ganze Jahr über ein Luxus, doch die Heuschrecken kennen keine Gnade. Nach dem Einfall von Heuschrecken sind in Nouakchott sogar Straßenbäume und der Rasen des größten Fußballstadions kahl gefressen worden, meldet die BBC. 80 Prozent der Ernten des in der Sahelzone liegenden Staates sind durch die Insekten vernichtet worden, eine Million Menschen in Mauretanien könnten von Hunger betroffen sein, schätzten Regierungsverantwortliche.

Auch sechs weitere afrikanische Länder schlagen Alarm: Senegals Ernten von Maniok und Hirse sind ebenso betroffen wie die des Touristenlandes Gambia, das zu 70 Prozent von der Landwirtschaft lebt und jetzt den nationalen Notstand ausgerufen hat. Auch der Baumwollstaat Mali und die Länder Tschad und Niger sind von den zarten Flügeltieren betroffen. Vom Niger aus sind die mehrere Kilometer langen Schwärme in den dichtbesiedelten Norden Nigerias weitergeflogen, 40 Millionen Menschen – meist Kleinbauern und Nomaden – wohnen dort und sind von der Naturkatastrophe bedroht.

„Die Zerstörungen sind enorm, große Teile der Felder sind kahl gefressen worden“, sagte Ibrahim Birnin-Magaji, der Sprecher des Bundesstaates Zamfara im Norden Nigerias. In den Bundesstaaten Kebbi und Sokoto zeigt sich ein ähnliches Bild: Seit sechs Tagen wüteten hier die Heuschrecken, sagten Behördenvertreter aus Sokoto der Agentur AFP, aus weiteren sechs Distrikten werden schwere Schäden gemeldet. Der Gouverneur hat ein Flugzeug anmieten lassen, um damit Pestizide zu versprühen – eine hoffnungslose Einzelmaßnahme. Allein gelassene und verzweifelte Bauern wehren sich mit Rasseln oder Strohfeuern gegen eine Attacke aus der Luft, auch das hilft in den wenigsten Fällen gegen den Kahlfraß.

Die Heuschreckenschwärme umfassen mehrere Milliarden Insekten, sie kommen wie dunkle Wolken daher und können Felder in Minuten abfressen. In Afrika sind 1600 Arten von Heuschrecken und mehrere hundert Arten von Grillen bekannt. Einige gelten – roh oder gegrillt verzehrt – auch als Delikatesse für den Menschen. Rund 200 Heuschreckenarten sind ausgemachte Schädlinge für die Landwirtschaft, aber nur zehn Arten verursachen die Plagen. „Als Einzelgänger sind Heuschrecken sehr wählerisch in ihrer Kost“, sagt der in Nairobi ansässige Heuschreckenforscher Professor Ahmed Hassanali, „aber im Schwarm fressen sie Mais, Hirse, Sorghum und Reis, einfach alles.“ Eine Heuschrecke wiegt nur zwei Gramm, aber sie verzehrt täglich eine Nahrungsmenge ihres eigenen Gewichts und in der Summe kann ein Schwarm die Ernteerträge für Tausende von Menschen vertilgen.

Gute Regenzeiten im Sahel und Nordafrika im Jahr 2003 und in diesem Frühjahr sind der Auslöser für ein massenhaftes Ausbrüten von jungen Grashüpfern und die derzeitige Invasion der erwachsenen Heuschrecken gewesen. Im Schnitt fliegen die Tiere rund 30 bis 50 Kilometer am Tage, sie können aber auch mit dem Spitzentempo von 130 Kilometern am Tage unterwegs sein. Experten fürchten, dass die Schwärme vom Tschad auch in den krisengeschüttelten Sudan weiterziehen könnten.

Der Senegalese Jacques Diouf, Direktor der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), hat eine Reise in die betroffenen Gebiete unternommen und es bedauert, dass frühere Hilfeaufrufe der FAO nicht viel genutzt hätten. Es seien nur neun Millionen Dollar an Hilfsgeldern für eine Bekämpfung der Plage eingegangen, jetzt habe das Problem eine höhere Stufe erreicht und man benötige 100 Millionen Dollar. Seit der Plage von 1989 sei dies die schlimmste Invasion von Heuschrecken in Afrika.

Vob Christoph Link[Nairobi]

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