zum Hauptinhalt

Panorama: Sie lächelten verklärt

In einem Großeinsatz stürmt die Polizei ein Kloster in Polen – dort verschanzten sich Nonnen, die der Vatikan ausgeschlossen hatte

Bis zum bitteren Ende widersetzen sich die Nonnen dem Spruch des irdischen Gerichtes. „Tut keine Gewalt und vergießt nicht unschuldiges Blut an diesem Ort“ – diesen Bibelvers hatten sie noch an das Tor des Klosters in Kazimierz Dolny im Osten Polens genagelt. Doch auch diese Bitte hielt den Arm des Gesetzes nicht auf. Am Mittwoch stürmten rund 150 Beamte das Gebäude und führten 65 Frauen ab, die sich in dem Gemäuer verbarrikadiert hatten.

Der Einsatz sei sehr heikel gewesen, da befürchtet worden war, dass die Frauen kollektiven Selbstmord begehen könnten, begründete ein Polizeisprecher das martialische Auftreten der Ordnungskräfte. Hubschrauber kreisten über dem Anwesen, Krankenwagen standen bereit, und gepanzerte Fahrzeuge blockierten die Zugangsstraßen. Nach Angaben von Augenzeugen habe der Einsatz an die Erstürmung einer Gangsterhochburg erinnert. Den bewaffneten Einsatzkräften bot sich allerdings ein eher beschauliches Bild. Als die Tür des Klosters aufgebrochen wurde, saßen die Nonnen beisammen und sangen christliche Lieder, begleitet von Gitarrenklängen. Als Erstes wurde eine Frau mit einem Rettungswagen abtransportiert, die ein acht Monate altes Baby bei sich hatte. Über die Herkunft des Babys konnte die Polizei keine Auskunft geben.

Die Geschichte nahm vor über zwei Jahren ihren Anfang. Damals hatte der „Orden der Schwestern der Familie von Bethanien“ die in dem Kloster zuständige Oberin Jadwiga Ligocka abberufen. Der Grund für die Abberufung waren Aussagen der charismatischen Frau, dass sie eine „Offenbarung“ gehabt habe und fortan diesem Wort Gottes folgen werde. Die Nonnen stellten sich hinter die Oberin und brachen den Kontakt zu der Kongregation ab, die 1930 in Polen gegründet worden war und dem Kapuzinerorden angegliedert ist.

Der Konflikt eskalierte, als der Vatikan im vergangenen Dezember die aufständischen Nonnen aus dem Orden ausschloss. Das war das Zeichen zur offenen Revolte. Die Frauen verbarrikadierten Fenster und Türen, verstreuten Glassplitter auf den Wegen des Hofes und bauten das Kloster so zu einer Art kleinen Festung aus. Da die Kirche die Grenzen ihrer Möglichkeit erkannte, wandte sich die Ordenszentrale im nahen Lublin an die weltlichen Gerichte. Die entschieden in diesem Frühjahr, dass das Kloster geräumt werden müsse. Der erste Termin im September verstrich, da entschloss man sich zum Sturm auf das Gebäude.

Als das Kloster geräumt wurde, warteten viele Familienangehörige der Schwestern vor den Toren des Gemäuers. „Ich weiß nicht, was mit meiner Tochter ist“, beklagte die Mutter einer 23-jährigen Ordensfrau. „Seit Monaten habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr.“ Ein Vater erklärte, er sei überglücklich, seine Tochter wieder bei sich zu haben. Allerdings wisse er nicht, was nun weiter geschehe. Aus den ersten Aussagen seiner Tochter erkenne er, dass die Schwestern eine grundlegende Reform der Kirche herbeiführen wollten. Sie hätten gegen ihre Rolle als bloße Dienerinnen des Erzbischofs und des Papstes gekämpft.

Über die Zukunft der Frauen herrscht noch weitgehend Unklarheit. Einige von ihnen werden vorerst zu ihren Familien zurückkehren, für die anderen wird die Kirche eine Unterkunft finden. Spekuliert wird allerdings auch, dass die Frauen schnell wieder zusammenfinden und eine Sekte gründen könnten. Bei der Erstürmung des Klosters hat sich keine der Frauen wirklich gewehrt, die meisten von ihnen lächelten nur verklärt.

Knut Krohn[Warschau]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false