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Panorama: Sintflutartige Regenfälle: England unter Wasser

Als die braune Brühe durch die Türritze rann, wusste Clare Brennan, dass die Ouse gewonnen hatte. Sintflutartige Regenfälle verwandelten den schläfrigen Fluss in einen reißenden Strom.

Als die braune Brühe durch die Türritze rann, wusste Clare Brennan, dass die Ouse gewonnen hatte. Sintflutartige Regenfälle verwandelten den schläfrigen Fluss in einen reißenden Strom. Im Erdgeschoss von Clare Brennans Haus schwappte das Wasser schon über die Tischkante, als sie mit ihrem Sohn das Schlauchboot der Feuerwehr bestieg. "Es wird wohl ein halbes Jahr dauern, bis wir hier wieder einziehen können", blickte sie zurück auf die Zerstörung. Wie ihres stehen Tausende Häuser des Königreiches unter Wasser. Weite Gebiete Englands gleichen einer Seenlandschaft in der größten Überschwemmung seit 1947.

Die schwersten Überschwemmungen seit fast 400 Jahren in der historischen Altstadt von York (Nordengland) haben die Einsatzkräfte in der Nacht zum Sonnabend in Atem gehalten. Armee, Feuerwehr und Hilfsorganisationen hatten ein Durchbrechen der Flutbarrieren verhindern können; mehrere tausend Menschen mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen. In London rief Vizepremier und Verkehrsminister John Prescott das Kabinett vor dem Hintergrund neuer Sturmwarnungen zu einer Krisensitzung zusammen. Die britische Umweltagentur teilte mit, der Fluss Ouse sei in York mit 5,9 Metern über Normal auf den höchsten Stand seit 1625 gestiegen. Damals waren die Wasserpegel erstmals offiziell registriert worden. Die Stadt aus der Römerzeit entkam nach Angaben der Behörden nur knapp einer Katastrophe: Bis zum Durchbruch der Schutzanlagen an der Ouse fehlten nur fünf Zentimeter.

Die Überflutungen in der Grafschaft Yorkshire und in weiten Teilen Mittel- und Südwestenglands haben der Agentur zufolge dasselbe Ausmaß wie die "Große Flut" von 1947 erreicht. Damals wurden 280 000 Hektar Land unter Wasser gesetzt. Über Nacht waren mehrere Tausend Menschen aus dem Zentrum Yorks in in Sicherheit gebracht worden. Die Umweltagentur zeigte sich am Morgen zuversichtlich, dass das Schlimmste vorläufig überstanden ist.

In Bath setzte sich am Abend eine Familie für das Abendbrot zu Tisch. Zehn Minuten später musste die Familie vom Abendbrottisch zur Treppe schwimmen, so schnell kam das Wasser.

Auch in den Regionen Gloucestershire, Worcestershire und Shrewsbury stehen viele Orte unter Wasser. Für Anfang der kommenden Woche ist ein vom Atlantik kommendes schweres Sturmtief angesagt.

In Cornwall und Sussex mussten die Bewohner von Einödhöfen mit Hubschraubern ausgeflogen werden. Das Wasser dringt nicht nur über die Sandsäcke vor den Haustüren sondern auch als Regen durch die abgedeckten Dächer und zersplitterten Fenster nach dem Orkan, der mit Spitzengeschwindigkeiten von 170 km/h über England fauchte. Der Sturm wirbelte Wohncontainer wie Stroh durcheinander und entwurzelte ganze Wälder. Unterbrochene Stromkabel und geborstene Wasserleitungen erhöhen die Plage.

Auch in London sind Hunderte von Kellern nahe dem Themseufer überschwemmt. Der Sturm beschädigte die Kabinen des berühmten neuen Riesenrads und entwurzelte Bäume legten die S-Bahn Verbindung zum Flughafen Heathrow lahm.

Premierminister Tony Blair besichtigte mit dem Hubschrauber die am schwersten betroffenen Gebiete und pries den "bewundernswerten Gleichmut" der Bevölkerung. Für die Regierung sind die jüngsten Unwetter der Beweis, dass der globale Klimawechsel auch Großbritannien nicht verschont.

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