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Panorama: Sitzordnung im Gerichtssaal als Frage der Menschenwürde

Wiesbaden - Als der wegen Entführung und Erpressung angeklagte Thomas Wolf, 58, den Gerichtssaal betritt, beginnt ein Schauspiel. Der Mann – ein mehrfach verurteilter Gewaltverbrecher, der als „Ausbrecherkönig“ gilt – schleppt sich in den Saal.

Wiesbaden - Als der wegen Entführung und Erpressung angeklagte Thomas Wolf, 58, den Gerichtssaal betritt, beginnt ein Schauspiel. Der Mann – ein mehrfach verurteilter Gewaltverbrecher, der als „Ausbrecherkönig“ gilt – schleppt sich in den Saal. Demonstrativ stützt er sich auf eine Fensterbank, als ihm Hand- und Fußfesseln abgenommen werden. „Mein Mandant ist ein schwer kranker Mann“, wird später sein Anwalt, Joachim Bremer, zu Protokoll geben. Im Februar 2008 hat Wolf mit der Entführung der Wiesbadener Bankiersgattin Susanne S. 1,8 Millionen Euro Lösegeld erpresst. Deshalb und wegen dreier weiterer Raubüberfälle sitzt er auf der Anklagebank.

Doch zum Auftakt geht es in diesem Verfahren nicht um seine Opfer und die Taten, sondern um den Täter. Wie krank oder gefährlich ist Thomas Wolf heute? Der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk hat ihm einen Platz in der Bank hinter seinem Anwalt angewiesen, aus Sicherheitsgründen. Schließlich ist Wolf mehrfach aus der Haft entflohen. Doch sein Anwalt ist damit nicht einverstanden. Eine ordnungsgemäße Verteidigung sei so unmöglich, argumentiert er, die angeordnete Sitzordnung widerspreche der Menschenwürde. Als das Gericht nicht nachgibt, stellt Bremer einen Befangenheitsantrag gegen alle fünf Richter und sorgt so für ein vorzeitiges Ende dieses ersten Verhandlungstages.

Als Nebenklägerin hat Susanne S. den Prozessauftakt verfolgt. Sie war vor zwei Jahren zehn Stunden lang in der Gewalt des heute scheinbar gebrechlichen alten Mannes. Sie musste um ihr Leben bangen, auch noch, als sie Wolf schließlich im Wald an einen Baum fesselte. Ohne Verständnis schüttelt sie den Kopf, als Wolfs Anwalt auf die eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit seines Mandanten hinweist. „Meine Mandantin darf erwarten, dass das Verfahren zügig zu Ende geführt wird, damit sie das Erlebte endgültig verarbeiten kann“, sagt ihr Anwalt Marcus Traut. Er warnt vor dem scheinbar harmlosen Mann mit der Strickweste und Freizeitsandalen: „Thomas Wolf ist ein Chamäleon!“ Christoph Schmidt-Lunau

Christoph Schmidt-Lunau

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