zum Hauptinhalt
Fußgänger schützen sich in Indiens Hauptstadt Neu Delhi vor der seit Tagen anhaltenden extremen Luftverschmutzung.

© Arun Sharma/imago/Hindustan Times

Smog-Alarm: Atemnot in Delhi

Indiens Hauptstadt kämpft seit Tagen mit extremer Luftverschmutzung. Die Regierung hat den Notstand ausgerufen – Atemmasken und Luftreiniger sind ausverkauft.

„Ich habe Schwierigkeiten zu atmen und meine Augen brennen“, klagt Devi Das. Der Smog hat die grüne R.K. Puram-Kolonie im Süden von Neu Delhi, wo die Lehrerin wohnt, in ein trübes Licht getaucht. Durch den giftigen Nebel kann man kaum weiter als 200 Meter sehen. „Die Stadt ähnelt einer Gaskammer“, schimpfte Delhis Regierungschef Arvind Kejriwal. Die Luftverschmutzung in Indiens 17-Millionen-Metropole hat neue Rekordhöhen erreicht.

Ärzte schlagen Alarm: Die Feinstaubbelastung durch Partikel unter 2,5 Mikrometer erreicht Spitzenwerte von über 800 – das ist 70 Mal höher als der empfohlene Wert der Weltgesundheitsorganisation WHO. Diese winzigen Teilchen – 30 mal feiner als ein menschliches Haar – sind besonders gefährlich, weil sie tief in die Atemwege eindringen und die Lunge nachhaltig schädigen. „Unsere Empfehlung an die Menschen ist, daheim zu bleiben und, sofern es geht, von daheim zu arbeiten und alle Gänge außer Haus zu vermeiden“, rät Indiens Ärztevereinigung.

„Die Schadstoffbelastung in Delhi ist im Moment so hoch, dass sie Männer unfruchtbar machen und bei Frauen eine Fehlgeburt auslösen kann“, warnt Arvind Vaid, Spezialist für künstliche Befruchtungen. Auch das Sex-Leben der Einwohner würde leiden, berichteten indische Medien.

Kliniken sind überlastet mit Patienten, die unter Asthma, Allergien Bronchitis, Lungenentzündungen, Atemnot und Herz-Kreislaufbeschwerden leiden. „Wir hatten vorher in unserem Krankenhaus um die 15 bis 20 Prozent von Fällen, die mit der Luftverschmutzung zusammenhängen, doch nun liegt die Zahl bei 60 Prozent“, erklärt S. P. Byotra, Arzt am Sri Ganga Ram Hospital. Kranke, Kinder und alte Menschen trifft der Killer-Nebel am meisten. In der Stadt sind elektrische Luftreiniger ausverkauft, Atemschutzfilter werden zu Wucherpreisen angeboten: Die simplen Schutzmasken, die normalerweise um die 30 Rupien (40 Cent) kosten, werden nun für 1000 Rupien (13,50 Euro) vertrieben.

Die Regierung hat den Notstand ausgerufen. Mit drastischen Maßnahmen soll die dreckige Luft geklärt werden: Alle Schulen sind bis Mitte der Woche geschlossen, auf Baustellen darf nicht mehr gearbeitet werden, das Kohlekraftwerk in Badapur wurde vom Netz genommen, Diesel-Generatoren sind abgeschaltet.

Den Meteorologen zufolge erhöhen „atmosphärische Störungen über dem Himalaya“ die Luftfeuchtigkeit und tragen dazu bei, dass die Dunstglocke über der Stadt wie ein Bleimantel liegt. Der Smog ist keine neue Erscheinung in Indiens Hauptstadt: typischerweise herrscht in der Stadt nach dem hinduistischen Lichterfest Diwali Ende Oktober, das mit Knallern und Feuerwerken gefeiert wird, einige Tage dicke Luft. Doch in diesem Jahr will der Smog nicht weichen. Neben dem Rauch von den Diwali-Feiern und den Abgasen der Millionenstadt verpesten auch die vielen Feuer auf den abgeernteten Feldern im Umland von Delhi die Hauptstadtluft.

Wer kann, flieht aus der Stadt – nicht nur über die Diwali-Feiertage. Auf dem sonst belebten Khan-Market in Süd-Delhi gibt es kaum noch Käufer. „Niemand mag bei diesem Smog ausgehen“, sagt ein Restaurant-Besitzer. „Es ist so schlimm, wie ich es noch nie erlebt habe“, erzählt Samar Shivdasani, der Sportbedarf verkauft. „Das ist Mord an meinem Geschäft“. Samar überlegt, die Stadt zu verlassen. „Nicht für mich, sondern für die Kinder“, sagt er.

Waren es vorher vor allem Ausländer, die Delhi den Rücken kehrten, so überlegen nun auch besser gestellte Inder, aus der Stadt wegzuziehen. Die Mieten sind in den vergangenen drei Jahren deutlich gefallen – je nach Wohnviertel zwischen 20 und 30 Prozent. Firmen sorgen sich um die Arbeitsproduktivität ihrer Mitarbeiter. Am Dienstag soll sich das Oberste Gericht mit dem lebensgefährlichen Dreck in der Luft der Hauptstadt befassen. Doch eine schnelle Lösung des Smog-Problems ist nicht in Sicht. Im Januar hatte die Regierung zwei Wochen lang das Autofahren eingeschränkt. Das Verbot war schwer durchzusetzen und brachte keine dauerhafte Entlastung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false