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Panorama: Soll New Orleans je wieder aufgebaut werden?

Ein Republikaner entfacht die Debatte – die Stadt versinkt jedes Jahr um mehrere Zentimeter, ihr Schutz wird immer schwieriger

Angesichts der dramatischen Verwüstungen in New Orleans ist in den USA eine Debatte über die Zukunft der Stadt entbrannt. Es mache keinen Sinn, Milliarden Dollar in den Wiederaufbau einer unter dem Meeresspiegel liegenden Stadt zu stecken, sagte der republikanische Sprecher des Abgeordnetenhauses, Dennis Hastert. Demokratische Abgeordnete aus dem US-Bundesstaat Louisiana protestierten umgehend. „Es sieht aus, als müsste ein Großteil der Stadt abgerissen werden“, sagte Hastert der Zeitung „Herald of Arlington Heights“. Es sei keine Frage, dass die Menschen ihre Häuser wieder aufbauen wollten. Gleichzeitig verwies er darauf, dass viel Geld der Versicherungen und der öffentlichen Hand eingesetzt würde. „Wir müssen einen zweiten Blick darauf werfen“, zitierte ihn die Zeitung. Den Wiederaufbau von Los Angeles und San Francisco in akut erdbebengefährdeten Gebieten nannte er in dem Zusammenhang „verbohrt“. Der demokratische Abgeordnete Charlie Melancon nannte die Ausführungen Hasterts „unverantwortlich“. Senatorin Mary L. Landrieu forderte den Republikaner auf, sich auf die menschliche Tragödie zu konzentrieren.

Wer einen Atlas zur Hand nimmt, entdeckt den Hintergrund für die Debatte: Die Altstadt von New Orleans, das French Quarter, liegt zwar auf flachen Hügeln und war von den Fluten nie stark bedroht. Aber der später gebaute allergrößte Teil der Stadt liegt auf sinkendem Grund. Rings um die Altstadt erstreckten sich einst riesige Sümpfe, nur bewohnt von Moskitos und Krokodilen. Anfang des 20. Jahrhunderts begann man, diese Feuchtgebiete mit Entwässerungsgräben und vor allem mit Pumpen trockenzulegen. Gleichzeitig bauten Ingenieure Dämme.

Dem Boden unter der Stadt aber fehlte das vorher abgepumpte Wasser, Hohlräume blieben zurück, die Struktur des Untergrundes war gelockert. Das Gewicht von New Orleans drückt diesen „Schwamm ohne Wasser“ langsam zusammen, zentimeterweise sinkt die Stadt jedes Jahr in die Tiefe, heute liegt die Metropole des Jazz wie eine riesige Suppenschüssel schon mehr als einen Meter tiefer als noch vor hundert Jahren. Außerdem steigt der Meeresspiegel. Wissenschaftler befürchteten immer wieder, dass die Stadt ganz einfach versinkt.

Große Teile von New Orleans wären normalerweise überflutet, wenn nicht ununterbrochen Pumpen das Wasser herauspumpen und ein ausgeklügeltes Netz von Kanälen und Schleusen das überschüssige Nass ableiten würden.

Als der Hurrikan „Katrina“ an die Dämme peitschte und die durchweichten Massen schließlich unter dieser Wucht nachgaben, strömte das Wasser aus dem Pontchartrain-See dann auch oberirdisch in die Stadt. Die Pumpen waren auf solche Massen einfach nicht ausgelegt, der Wasserspiegel stieg daher immer weiter. Obendrein versagten die Stromversorgung und die Notaggregate der normalerweise an den tiefsten Stellen der Stadt befindlichen Pumpen nach und nach. Treibgut verstopfte andere Pumpen und der Wasserspiegel kletterte zunehmend schneller. Die meist an Masten in die Stadt führenden Stromleitungen waren zu diesem Zeitpunkt längst vom Sturm geknickt oder abgeschaltet, weil sonst in das Wasser hängende Leitungen New Orleans unter Strom gesetzt hätten.

Nach zwei Tagen hatte der Wasserstand in der Stadt dann das Niveau des Sees erreicht. Bis zum Donnerstagmorgen sank der Wasserspiegel in der Stadt dann sogar um sechzig Zentimeter, berichtet Dan Riley, der technische Leiter der Armee-Ingenieure der USA.

Sobald die Überlebenden gerettet und die Dämme geflickt sind, können die zivilen und militärischen technischen Helfer das Wasser aus New Orleans mit neuen Pumpen also wieder abpumpen, das stellenweise immer noch sechs Meter hoch in den Straßen steht. Das dürfte allerdings mindestens dreißig Tage dauern, schätzt Dan Riley. Danach müssen die Verantwortlichen entscheiden, was weiter geschieht. Sollte die Stadt wieder aufgebaut werden, müssten die Dämme verstärkt werden und das Pumpensystem katastrophensicher ausgelegt werden.

Das ist technisch möglich, kostet aber viele Milliarden Dollar. Hinzu kämen die gewaltigen Kosten, um die Häuser zu sanieren. Vermutlich müssen viele Gebäude abgerissen und dann neu gebaut werden.

Billiger und auch sicherer wäre es daher, den Neuaufbau nicht ausgerechnet in der Suppenschüssel am alten Ort, sondern an einer anderen Stelle zu versuchen, die weniger gefährdet ist. Die Natur würde sich in diesem Fall die Stadt nach und nach einverleiben und den alten Zustand wiederherstellen, wir hätten wieder das alte Sumpfgebiet mit Krokodilen und Moskitos. Wie Atlantis würde die Stadt versinken.

Bis auf das French Quarter. Das würde herausragen. Aber ob dort nach all dem, was vorgefallen ist, jemals wieder der Jazz Einzug halten wird?

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