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Sebastian L. auf der Anklagebank.

© AFP

Solln: Die Täter galten nicht als aggressiv

Zeuginnen beschreiben die Täter als eher ruhig. Hat Dominik Brunner die Schlägerei selbst provoziert, an deren Folgen er verstarb?

War Dominik Brunner gar nicht der makellose Held, als den man ihn gern feiert? Und die Jungen, die auf ihn eintraten: Waren das vielleicht an sich friedliche, zurückhaltende Burschen, die zwar viel tranken und kifften, aber keinen besonderen Hang zur Gewalt hatten? Nach der Aussage des Lokführers im Münchner Landgericht am Dienstag und der Vernehmung einiger Freundinnen und Bekannte der Täter stehen vermeintliche Gewissheiten auf dem Prüfstand. Der Lokführer hatte erklärt, Brunner habe die körperliche Auseinandersetzung mit Faustschlägen begonnen. Und die jungen Frauen, die vor dem Landgericht gestern Nachmittag aussagten, zeichneten von beiden Tätern eher friedliche Bilder.

Drei als Zeuginnen geladene junge Frauen sagten aus, dass Sebastian L., der jüngere der beiden Angeklagten, „immer sehr ruhig“ gewesen sei. Weder unter Alkohol-, noch unter Drogenkonsum sei er aggressiv geworden. Auf andere habe er eher beruhigend eingewirkt. „Er ist immer positiv hervorgestochen“, sagte die zwanzigjährige A., eine Tierarzthelferin. Sebastians Exfreundin S. erinnert sich zwar an einen Wutausbruch, als dessen „bester Freund“ ins Gefängnis kam. „Da ist er total durchgedreht und aggressiv aus dem Haus gelaufen und hat einen Autospiegel kaputt gemacht. “ Aber eigentlich sei Sebastian „ein lieber Mensch, er würde niemals einen Menschen mit Absicht töten. Er war im Kopf ein Kind, das einfach nur Spaß haben wollte und gar nicht realisiert hat, was er macht.“

Auch Markus S., der mutmaßliche Haupttäter, fiel seiner Exfreundin nicht als aggressiv auf. A., eine 19jährige Angestellte, die bis Mitte 2008 mit Markus S. zwei Jahre lang zusammen war, beschrieb ihren Exfreund als „eher schüchtern und zurückhaltend vor allem gegenüber Erwachsenen. In seinem Verhalten war er immer eher unsicher. Liebevoll war er auch.“ Wie Sebastian trank er Alkohol und kiffte, „leider regelmäßig, etwa einen Joint am Tag“. Unter Alkoholeinfluss sei er allerdings nicht aggressiv geworden, sondern habe gern „gerappt“. Leicht aus der Fassung zu bringen war er nur, so die Zeugin, wenn sie ihn auf seinen Drogenkonsum ansprach oder jemand seinen älteren Bruder beleidigte. Aber auch dann sei er nur lauter geworden und habe diskutiert, nicht geschlagen. Die einzige Situation, in der sie ihn gewalttätig gesehen hat, war, als ihm der große Bruder einen Schlag ins Gesicht versetzte. Markus S. schlug zurück. „Eine Schlägerei unter Brüdern“, wie der Vorsitzende Richter Reinhold Baier bemerkte. „Ich hätte nie gedacht, dass er das macht.“, sagte A., sichtlich bewegt. Der Richter: „Sie leiden darunter?“ „Ja. “

Am Morgen allerdings hatte ein als Zeuge geladener Fahrgast, ein 47jähriger Vertriebsleiter, vor allem Markus S. belastet. Er sah Brunner breitbeinig auf dem Bahnsteig stehend, „in einer Verteidigungshaltung wie im Kampfsport. Wie ein menschliches Schutzschild“ habe er sich vor zwei ängstlichen und verschüchterten Jungen  aufgebaut und dabei sehr konzentriert und angespannt, aber nicht aggressiv gewirkt. Der Blick von Markus S. dagegen, so der Zeuge, erschien ihm damals „unheimlich kalt und beängstigend, höhnisch und voller Verachtung“. Ganz langsam habe er einen Schlüssel an einem Band aus der Tasche gezogen und sich die Schlüssel zwischen die Finger gesteckt. „Mir war klar, dass eine wüste Schlägerei bevorsteht.“ Dennoch blieb A. in der S-Bahn sitzen. „Ich hab mich lang damit beschäftigt, ob ich nicht hätte rausgehen sollen “, sagte der sportlich wirkende Mann, der sich aus Bundeswehrzeiten an waffenlose Nahkampfsituationen erinnert. Immer wieder habe er, so lange die S-Bahn in Solln stand, daran gedacht, auszusteigen. Warum er trotzdem nicht ausstieg, erkundigte sich die Verteidigung. Die ehrliche Antwort: „Auf gut Deutsch: Ich hab meinen Hintern nicht hochgekriegt.“

Monika Goetsch

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