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Carole und Serge, 1982

© (c) Barbara Davatz

1982 - 1988 - 1997 - 2014: Fotos von Paaren im Wandel der Zeit: Paareszeiten

Wie verändern sich Menschen? Verändern sie sich überhaupt? Die Schweizer Fotografin Barbara Davatz gibt auf ihre Art die Antworten.

Carole und Serge, 1988
Carole und Serge, 1988

© (c) Barbara Davatz

Serge und Carole, 1997
Serge und Carole, 1997

© (c) Barbara Davatz

Serge und Carole, 2014
Serge und Carole, 2014

© (c) Barbara Davatz

Sie hat sich verliebt, vor 34 Jahren. In Nicola und Kurt, ein junges Paar aus der Zürcher Szene, beide mit blondem Kurzhaarschnitt und schwarzer Kleidung. Es hat ihr gefallen, wie die beiden sich selbst und den Zeitgeist zugleich mit ihrem Äußeren ausdrückten. Also hat Barbara Davatz sie im Studio fotografiert. Andere Paare kamen dazu, einige fielen wieder raus – weil ihnen das gewisse starke Etwas fehlte. Irgendwann hatte die Schweizerin ein Dutzend Duos zusammen. Und ein Projekt. Obwohl sie damals, 1982, noch gar nicht wusste, wohin die Reise geht, wie sie sagt, dass nämlich aus der Porträtserie eine Langzeitstudie in vier Etappen würde: 1982 – 1988 – 1997 – 2014. Kinder, neue Partner traten mit ins Bild, andere verschwanden. „As Time Goes By“, unter dieser Überschrift zeigt sie die Bilder jetzt in der Schweizer Fotostiftung.

Es muss Klick machen

Auch in das Projekt hat sie sich verliebt. Ohne ginge es gar nicht: „Es muss Klick machen, damit die Segel sich aufblähen.“ Denn das Langzeitprojekt kostete viel Energie. Schon die Aufnahmen selbst, mit der Großbildkamera, die Entwicklung der Bilder, die extrem aufwendig ist, aber vor allem die Protagonisten dazu zu bewegen, immer wieder mitzumachen, egal was in der Zwischenzeit passiert war. Beim letzten Mal, dem größten Sprung, war es besonders schwierig. Aber, so das Fazit der 72-Jährigen: „Es wurde immer schöner.“

Man schaut in gebrochene Herzen

Im Studio, auf dem Land, haben sie sich erst mal hingesetzt, Kaffee getrunken, geredet. 17 Jahre – „da gab es viel aufzuholen“. Und von Neuem Vertrauen zu schaffen. Denn natürlich ist es eine Zumutung, sich den Blicken so offen auszuliefern. Man guckt den Porträtierten ja direkt in die Augen. Auf die Falten. In die gebrochenen Herzen. Deswegen liebt die Fotografin die Großbildkamera so: weil diese noch jede Wimper haarscharf zeigt. Auch hinter einem Lächeln kann sich niemand verstecken. Davatz wünscht sich den ernsthaften, direkten Blick. Auch die Betrachter, so ihre Beobachtung, gucken dann länger und mit größerer Ernsthaftigkeit hin. „Man schaut tiefer hinein.“

Die Betrachter spekulieren wild

Rico und Tiziana, 1982
Rico und Tiziana, 1982

© (c) Barbara Davatz

Tiziana und Rico, 1988
Tiziana und Rico, 1988

© (c) Barbara Davatz

Tiziana, 1997
Tiziana, 1997

© (c) Barbara Davatz

Tiziana, 2014
Tiziana, 2014

© (c) Barbara Davatz

Fast hat sie ein schlechtes Gewissen, Menschen wie Schmetterlinge unter die Lupe zu nehmen. Umso größer die Dankbarkeit, dass fast alle am Ende doch wieder mitgemacht haben. „Ich muss den Leuten die Angst vor der Kamera nehmen“, sagt sie. „Sie stehen ganz allein im Licht. Wie Studienobjekte. Ich bin im Dunkeln.“ Deswegen redet sie selbst während der Aufnahmen (14 bei jeder Sitzung) mit ihnen, um sie nicht alleinzulassen. Davatz ist überzeugt, dass es gut war, zehn, 20 Jahre älter als ihre Protagonisten zu sein, dass es so leichter war, ihr Vertrauen zu gewinnen. Dazu gehört auch, dass sie nichts über sie verrät, nicht mal, wer ein Liebes-, wer ein Freundes- oder Schwesternpaar ist, wer sich getrennt hat, wer gestorben ist.

„Auf den Fotos steht die Zeit still. Im wirklichen Leben geht sie weiter.“ Die Vergänglichkeit schwingt immer stärker mit, gibt der Serie etwas Melancholisches. Die Porträtierten setzen sich dem direkten Vergleich aus. Denn alles bleibt gleich, das Schwarz-Weiß, der Ausschnitt, der graue Hintergrund, der direkte Blick. Nur sie nicht. Oder doch? Innerlich, glaubt die Künstlerin, haben die Figuren sich nicht wirklich verändert.

Das Geheimnis der Bilder muss dann jeder Betrachter selbst entschlüsseln, die Lücken füllen. Davatz macht sich einen Spaß daraus, inkognito in die eigene Ausstellung zu gehen und große Ohren zu machen: „Die spekulieren wie wild!“ Was sie bei dem Projekt über Paare gelernt hat? „Dass Beziehungen, bei denen der Eros keine Rolle spielt, dauerhafter sind.“ Barbara Davatz, As Time Goes By, 1977 bis 2014, Fotostiftung Schweiz in Winterthur, bis 16. Mai. Das Buch dazu ist in der Edition Patrick Frey erschienen, 168 Seiten, 78 Euro.

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