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Gesellschaft: Alles Lüge!

Bittere Fakten über die Ferien am Strand.

Ich bin ein Dummkopf. Andere sortieren ihre Reisen nach Kategorien wie „edelste Hotels“, „wildeste Liebschaften“ usw., meine wichtigste Urlaubs-Hitliste heißt „grausamste Verbrennungen“. Ich gehöre – wie Tom Wolfe vorne im Interview – zur Art der milchhäutigen Blässlinge. Ich darf ohne zu übertreiben behaupten, schon alle Schattierungen der Farbskala rot durchlaufen zu haben.

Thomas Gsella ist auch so einer. Gsella gilt als die Nummer 1 der komischen Lyriker. Neulich schrieb er über einen Familienurlaub. Es hat ihn da so übel erwischt, dass er verzweifelt zwei Liter „After Sun“ austrank. Hat auch nichts geholfen.

Die gängigen Ratgeber empfehlen als erste Hilfe, sich die Haut mit Quark oder Joghurt zu bedecken. Das ist Unsinn. Denn für Linderung sorgen nicht Milchprodukte, sondern deren Kälte. Quark steht eher selten in der dampfenden Hitze herum. Medizinisch ist es also vernünftig, bei Sonnenbrand nach einem gut sortierten Fischrestaurant Ausschau zu halten, die Kühltheke zu plündern und sich Seezungen, Red Snapper oder Thunfischsteaks auf die gleißenden Schenkel zu legen.

Nun höre ich die Klugscheißer rufen: Reib’ dich doch mit Schutzfaktor 50 ein, alter Trottel! Das tue ich ja. Es gibt nur Situationen, die liegen jenseits menschlicher Planbarkeit und Vernunft.

Die Nummer eins meiner Verbrennungs- Hitliste spielt in Thailand, Hua Hin. Ich hatte den Film „Killing Fields“ gesehen und darin ein hübsches Kolonialhotel mit sich gemächlich drehenden Deckenventilatoren. Ich dachte: Da musst du hin! Vom Goldenen Dreieck im Norden gut 36 Stunden im Bus. Ich hockte mich vorm Hotel unter einen Sonnenschirm, bestellte einen Cocktail, prüfte den Sonnenstand. Okay, alle Körperteile im Schatten. Ich schlief ein, die Sonne nicht. Ich erwachte, weil glühende Magma über meinen Körper floss. Blasen wie Luftballons am Kindergeburtstag. Nächte und Tage der Folter. Ein mitfühlender Arzt (Eisbeutel mit Gel plus „sorry, five days of pain“).

Es gibt millionenfach Fotos mit Sonnenuntergängen. Es gibt keine Fotos von glutroten Sonnenbränden. Die Menschen lügen sich ihren Urlaub zurecht. Sonnenbrandbilder sind das letzte Tabuthema der Welt. Norbert Thomma

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