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Berliner Schnauzen (1): Das Rentier

Nicht nur Rudolph, das Rentier aus dem bekannten Weihnachtslied, hat eine rote Nase.

Sondern alle seine Artgenossen, auch die, die man im Berliner Zoo in unmittelbarer Nachbarschaft von Damhirschen, Wasserrehen und Rindern anschauen kann. Weltweit gibt es sieben Millionen von ihnen. Rentiere leben in Sibirien, Skandinavien, Grönland, Kanada und Alaska, wo es im Winter bis zu -50 Grad kalt wird. Ihr Körper ist auf diese extremen Temperaturen eingestellt. Mit dichtem Fell, breiten, elastischen Hufen samt Klauen, die in Schlamm oder Schnee für festen Tritt sorgen, und eben einer ganz speziellen Nase.

Diese ist stark durchblutet, damit sie nicht einfriert. Das ist nicht nur praktisch, wenn Rentiere unterm Schnee nach Moos oder Gras suchen, von dem sie sich vor allem ernähren. Forscher in den Niederlanden haben festgestellt, dass eine Rentier- nase deutlich mehr Schleimdrüsen und Blutgefäße als die eines Menschen besitzt. Die eingeatmete Luft wird dank einer Art verzweigter Rohrleitung über eine Fläche von einem Quadratmeter geführt – zehn Mal mehr als bei uns. Die Nase kann auch einen kühlenden Effekt haben. Im wärmeren Sommer, oder wenn die Tiere vor Wölfen oder Bären fliehen müssen, geben sie über die Nase Wärme ab, um nicht zu überhitzen. Erst wenn das nicht mehr ausreicht, beginnen sie zu hecheln. Maximal können die Tiere 80 km/h schnell sprinten.

Auch die Augen der Rentiere sind an ihre Umgebung angepasst. Im Winter wird es oberhalb des nördlichen Polarkreises nur für Stunden hell, im Sommer geht die Sonne dagegen tagelang nicht unter. Offenbar können die Tiere die Farbe einer Schicht hinter der Netzhaut so verändern, dass während der dunklen Jahreszeit weniger Licht aus dem Auge heraus reflektiert wird. Die Augenfarbe wechselt deshalb von gold-türkis schimmernd im Sommer zu tiefblau im Winter.

Rentiere sind sehr gesellig, sie leben in Herden, die gigantische Ausmaße erreichen. Manchmal bestehen sie aus hunderttausenden Tieren. Die Hierarchie wird durch die Geweihe bestimmt, die sowohl Männchen als auch Weibchen besitzen: je größer das Geweih, desto höher der Status. Die Rentiere in Nordamerika leben noch wild, die in Europa sind meist halb domestiziert. Das bedeutet, dass sich die Herden auf der Suche nach Nahrung relativ frei bewegen, allerdings folgen ihnen die Menschen auf ihren kilometerlangen Routen.

Besonders das Leben der Sami, der indigenen Bevökerung im äußersten Norden Europas, ist eng mit dem der Tiere verbunden. Rentiere ziehen Schlitten, liefern Milch. Ihr Fleisch ist mager, es gilt als Delikatesse und ist ziemlich teuer. Die klassische Renwirtschaft in Nordeuropa ist jedoch bedroht. Die ausgedehnten Weidegründe gehören meist dem Staat, wichtige Rohstoffe lagern dort, und die Papierindustrie holzt die Wälder ab, an deren Bäumen die Flechten wachsen, die die Tiere fressen.

Dabei könnten Rentiere nicht nur den Sami, sondern auch den Deutschen sehr nützlich sein. Ihre Nasen dienen vielleicht schon bald als Vorbild für technische Entwicklungen. Verbesserte Beatmungsgeräte oder Kamine – Rudolph sei Dank. Björn Rosen

RENTIER IM BERLINER ZOO

Lebenserwartung: In der freien Natur zehn bis 15 Jahre, im Zoo 20 Jahre

Fütterungszeiten: Vormittags

Interessanter Nachbar: Wasserreh

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