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Stinktier

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (17): Das Stinktier

Die größte Mutprobe im Tierpark? Krokodile kitzeln, Eisbären umarmen, Tiger kraulen?

Von Julia Prosinger

Geht es nach Säugetierkurator Florian Sicks, sollte man sich eher von Hannelore und Wolfgang fernhalten. Das ist das Stinktierehepaar — charmant benannt nach Tierpark-Mitarbeitern. Seit dem 1. Mai haben die beiden sechs Junge. In manchen Jahren sind es mehr, Platz hätte Hannelore an 14 Zitzen. Man sollte sie nicht provozieren.

Selbstversuch, Herr Sicks, sich einstinken lassen? „Besser nicht“, sagt er, „sonst haben Sie gleich ein Abteil für sich allein in der U-Bahn.“ Einmal nur, bitte, Herr Sicks, für die Wissenschaft, für die Leser? „Der Geruch haftet drei Tage, und die Klamotten können Sie danach wegwerfen.“ Wolfgangs Duft geht nie mehr raus, im Gegenteil, sagt die Tierpflegerin, die das schon oft erlebt hat, Wasser frischt das Stinktierparfüm nur erneut auf.

Ohnehin würden Wolfgang, Hannelore und ihre Kinder nicht sofort losstinken. Die ängstlichsten Feinde wollen sie schon durch ihre Kriegsbemalung abwehren, die schwarz-weißen Muster bedeuten wie bei der Wespe die Streifen: Gefahr! Kommen Besucher oder in freier Wildbahn Koyoten und Pumas dennoch näher ran, schalten die Tiere Warnstufe eins. Sie erheben den buschigen Schweif, drehen ihr Hinterteil dem Feind entgegen, biegen sich zum U. Nähern sich unbelehrbare Kinder, Hunde oder andere Dummköpfe noch weiter, dann folgt Warnstufe zwei. Die Skunks, wie sie korrekt heißen, führen nun ihren Kriegstanz auf: schütteln den Körper, trommeln mit den Pfoten auf den Boden, fletschen die Raubtierzähne. Manche Arten schwingen sich gar in den Handstand, präsentieren den Anus.

Wer jetzt noch da ist, hat es nicht anders verdient oder wollte eben die Mutprobe bestehen: Der Skunk zückt seine Waffe, zielt und drückt ab — bis zu sechs Meter weit verspritzt er sein goldgelbes Sekret aus zwei Analdrüsen. Schon ein Stoß genügt und eine Duftwolke wie aus einer schlechten Tapas-Küche legt sich um den Angreifer. Es riecht nach faulen Eiern, viel Knoblauch und angebranntem Gummi. Seit Jahrhunderten analysieren Chemiker das Stinktiersekret – mehr als 160 Bestandteile sind bereits erforscht. Die meisten davon sind schwefelhaltig, manche ähneln Moschus. Angeblich kann man es kilometerweit riechen.

Der Skunk ist ein guter Schütze, trifft er die Augen, kann der Gegner kurzfristig erblinden, trifft er den Feind in den Mund, muss der sich übergeben. Die meisten Tiere lernen aus nur einer Begegnung mit ihm. Darum macht es nichts, dass er nicht schnell rennen kann. Nur Uhus lassen sich von dem Gestank nicht abschrecken, sie können schlecht riechen.

In den USA, wo die Stinktiere neben Kanada und Südamerika hauptsächlich wohnen, sind sie inzwischen ein beliebtes Haustier. Sie eignen sich als Gärtner, weil sie alles fressen, Kompost, Würmer, Schlangen. Deren Gift macht ihnen wenig, Skunks vertragen angeblich zehn Mal so viel wie ein Tier vergleichbarer Größe. Allerdings operiert man ihnen für daheim die Drüsen raus. Verständlich, denn schon die ganz kleinen riechen intensiv. Hannelore und Wolfgangs Kinder stinken derzeit die Rangordnung aus.

STINKTIER IM TIERPARK

Lebenserwartung:  gering — 90 Prozent überstehen den ersten Winter nicht, wenn doch, werden sie bis zu acht Jahre alt

Jungtiere: seit Mai 2014 sechs Kleine
Interessanter Nachbar: vorsorglich keiner

Zuvor erschienen: Afrikanische Zwergziege, Fossa und Tamandua.

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