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Die große Wabenkröte, pipa pipa, hier ohne Löcher.

© public domain/Hugo Claessen

Berliner Schnauzen (3): Große Wabenkröte

Die Geschichte der Froschlurche ist eine Geschichte voller Missverständnisse.

Ihre bekanntesten Vertreter – Frosch und Kröte – lassen sich systematisch nicht klar voneinander abgrenzen. Manche Froscharten sind etwa enger mit Kröten verwandt als mit anderen Fröschen. Grob gilt: Frösche besitzen lange Hinterbeine, Kröten meist nicht, weswegen sie nur kriechen, nicht springen können. Frösche haben glattere, feuchtere Haut, Kröten oft Warzen. Zum Glück können sich Laien an eine Faustregel halten, die erstaunlicherweise in den meisten Fällen zutrifft: Kröten sind insgesamt die deutlich hässlicheren Tiere.

Besonders unansehnlich ist die Große Wabenkröte, Pipa pipa. Jedenfalls das Weibchen, und zwar in den Monaten nach der Paarung. Schuld daran ist eine bizarre Form von Brutpflege, die es im Tierreich so kein zweites Mal gibt.

In freier Wildbahn lebt Pipa pipa in südamerikanischen Tümpeln und Sümpfen. Auch im Zooaquarium kann man sie nun beobachten. Ende Januar bezogen fünf Exemplare ein neu gebautes Becken im zweiten Stock, nicht weit vom Treppenaufgang. Ob sie sich schon dieses Jahr fortpflanzen werden, ist ungewiss, sagt Zoobiologe Benjamin Ibler. Denn Frösche wie Kröten müssen sich an neuen Orten erst einleben.

Wenn es dann losgeht, wird Folgendes passieren: Zunächst vollführen Männchen und Weibchen einen komplizierten Tanz unter Wasser, dessen Choreografie aus mindestens 15 Loopings besteht. Währenddessen stößt das Weibchen Eier ab, das Männchen den Samen. Die befruchteten Kügelchen bleiben am Rücken des Weibchens kleben – das Männchen hilft mit den Vorderbeinen, die Eier dort festzudrücken. In den nächsten Tagen überwuchert die Haut des Weibchens sämtliche Eier, bis diese weitgehend unter der Oberfläche verschwunden sind. Dort wachsen nun die Kaulquappen heran. Sobald diese weit genug entwickelt sind, können sie durch die Löcher in der obersten Hautschicht des Mutterrückens ihre Vorderbeine oder auch das Maul hindurchstrecken. Sie versuchen aber nicht, aus ihrem Gefängnis auszubrechen. Stattdessen fischen sie kleine Nährstoffpartikel aus dem Wasser. Jedes Mal, wenn das Muttertier seinen Standort wechselt, werden die Jungtiere automatisch an neue Futterquellen transportiert. In diesem Stadium hat die Kröte ihre maximale Gruseligkeit erreicht: Aus ihrem Rücken ragen hunderte zappelnde Ärmchen.

Wenn sich die Jungtiere nach zwei Monaten schließlich doch davonmachen, hinterlassen sie eine Kraterlandschaft, die Unwissende für die Folge einer schweren Hautkrankheit halten können.

Wie effektiv das System der Brutpflege im Rücken tatsächlich ist, zeigt sich an der Anzahl der Eier. Krötenarten, die ihren Laich zurücklassen, müssen tausende produzieren, um die Population zu erhalten. Die in Mitteleuropa heimische Erdkröte legt zum Beispiel bis zu 8000 Eier, von denen die allermeisten frühzeitig gefressen werden. Der Wabenkröte reichen 100. Ihr nächster Verwandter, sagt Zoobiologe Benjamin Ibler, sei übrigens keine Kröte, sondern der Glatte Krallenfrosch. Der ist ebenfalls keine Schönheit. Hat aber immerhin einen kraterfreien Rücken.

Die große Wabenkröte im Zoo-Aquarium

Maximalgröße:  17 Zentimeter

im Aquarium seit:  2014

Interessante Nachbarn: Gelb gebänderter Pfeilgiftfrosch, Coloradokröte

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